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Kann ich den umtauschen?

Titel: Kann ich den umtauschen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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ein märchenhafter Augenblick à la Aschenputtel werden – vielleicht würde sie ja, wenn sie es bis zu dem langen Spiegel in Nathans Ankleidezimmer geschafft hatte, eine ganz neue Frau darin sehen.
    Doch als sie dann in den Spiegel sah, nachdem sie sich auf dem Weg dorthin fast den Knöchel gebrochen hatte, war sie immer noch Alice. Alice in einem piekfeinen Kleid und mörderisch hohen »Fuck-me-Schuhen«. Aber immer noch Alice. Sie sah überrascht aus. Irgendwie blöd. Sie sah aus, als sei ihr nicht wohl in ihrer Haut. Und sie sah traurig aus. Unendlich traurig.
    Alice zog Kleid und Schuhe wieder aus und legte sie zurück in ihre jeweiligen Schachteln.
    Und dann zog sie eine Jeans und ein T-Shirt an und ging hinaus in den von der Sonne in Gold getauchten Abend. Sie schlenderte durch ihren Lieblingsteil des Gartens, den von einer Mauer umschlossenen Küchengarten mit seinen sorgfältig gepflegten Reihen von Obst und Gemüse, seinen herrlich duftenden Blumen und Kräutern. Sie atmete tief ein, schloss die Augen und lauschte dem Gesang der Vögel. Es war so wunderwunderschön hier.
    Alice hatte immer daran geglaubt, dass man da zu Hause ist, wo man liebt. Und sie hatte Whattelly Hall schon immer geliebt.
    Dann rief jemand nach ihr. Ganz leise.
    Â»Alice?«
    Leicht erschrocken machte sie die Augen auf und atmete unwillkürlich scharf ein, als sie ihn auf der anderen Seite des verschlossenen schmiedeeisernen Tors sah.
    Â»Daniel.« Dieses Mal schmeckte sein Name so süß, wie das Geißblatt, das ihn umrahmte, duftete.
    Â»Tut mir leid, ich dachte, wenn du mich sehen wolltest, würdest du kommen, aber du bist nicht gekommen … Und ich konnte einfach nicht … Ich musste dich sehen …« Er lächelte halbherzig und ergriff frustriert einen Gitterstab des sie voneinander trennenden Tores.
    Â»Lässt du mich rein?«
    Â»Du weißt doch, dass ich keinen Schlüssel habe.«
    Â»Dann muss ich klettern.«
    Â»Du könntest dich verletzen.«
    Â»Das Risiko gehe ich gerne ein.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Â»Ich möchte aber nicht, dass du verletzt wirst.«
    Sie ging zum Tor, streckte die Hand hindurch und legte sie ihm auf die Brust. Sie spürte seine Wärme, seinen Herzschlag – und krallte sich plötzlich in den weichen Stoff seines Hemdes. Er öffnete vorsichtig ihre Finger und nahm ihre Hand. Sie hielten sich fest, sahen sich tief in die Augen und sagten kein Wort, sondern konzentrierten sich einzig auf das Gefühl dieser Berührung. Erstaunt bemerkte Alice, wie sich die Wärme, von ihren Fingern ausgehend, im ganzen Körper ausbreitete – genau wie neulich, bei ihrem Kuss, von ihren Lippen ausgehend.
    Â»Was würdest du sagen, wenn ich dir sagen würde, dass ich gekommen bin, um dich von all dem hier wegzuholen?« Er warf einen bedeutungsvollen Blick auf das riesige Haus hinter ihnen und auf die dahinterliegende atemberaubende Schönheit der Parklandschaft.
    Beide unternahmen einen Versuch zu lachen. Doch es tat zu sehr weh. Als ob man mit Halsschmerzen husten musste.
    Und dann sagte er es mit allem Nachdruck noch einmal.
    Â»Ich meine das ernst, Alice. Kletter runter von dem Turm. Komm mit mir.«
    Â»Ich kann nicht.«
    Â»Du willst nicht?«
    Â»Ich will es nicht aus den falschen Gründen tun.«
    Â»Was ich für dich empfinde, ist nicht falsch.«
    Sie lächelte ihn an. Es war ein ehrliches, glückliches Lächeln, das ihm allein galt und nicht überschattet war von den Umständen. Ein kleines Zeichen inmitten unzähliger Gefühlsregungen – wie ein Regentropfen in einem Gewitter.
    Â»Wenn ich weglaufe, Daniel, dann möchte ich zu dir hinlaufen, nicht mit dir mit. Ich möchte nicht, dass du mich rettest, Daniel. Kannst du das verstehen?«
    Â»Ja«, sagte er nach kurzem Überlegen.
    Alice warf einen Blick auf die vielen Fenster hinter ihr.
    Â»Du dürftest eigentlich gar nicht hier sein.«
    Er nickte.
    Â»Ich weiß … Ich gehe jetzt auch. Aber vorher möchte ich dich um eins bitten. Und zwar nicht, um mir einen Gefallen zu tun, sondern um dir selbst zu helfen … Du willst nicht aus den falschen Gründen mit mir kommen, aber dann versprich mir, dass du auch nicht aus den falschen Gründen hierbleibst … Und wenn du schon nicht gerettet werden möchtest, Alice, … dann bitte, bitte, bitte … rette dich

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