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Kann ich den umtauschen?

Titel: Kann ich den umtauschen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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einen Teil des Wochenendes zu Hause zu verbringen.«
    Freitag hatte ihre Mutter Geburtstag, und sie trafen sich in deren Lieblingsrestaurant: dem Reading Room im Hotel Claridge’s.
    Ihre Mutter liebte das Claridge’s. Bevor Alices Vater sein gesamtes Vermögen verspielte, hatte sie sich regelmäßig übers Wochenende in diesem berühmten Londoner Luxushotel verwöhnen lassen. Und hätte sie es sich leisten können, wäre sie dort Dauermieterin geworden. Sie wäre in eine der Art-déco-Suiten eingezogen und hätte den Rest ihres Lebens die Dekadenz von Zimmerservice, Cocktails und Concierges genossen.
    Als Alice kam, saß ihre Mutter bereits kerzengerade auf einem antiken Stuhl an einem Tisch für zwei und nippte an einem Glas Wasser.
    Ihre Erscheinung war wie immer makellos vom für zweihundert Pfund frisierten Kopf bis zum Chanel-beschuhten Fuß. Zu Estella Coopers lebenslangem Leidwesen hatte sie eine Tochter zur Welt gebracht, die am liebsten in zerrissenen Jeans, marmeladenverschmierten T-Shirts und den ewig gleichen ausgelatschten zitronengelben Converse-Schuhen herumlief. Estellas erste Amtshandlung, wenn Alice den Raum betrat, war stets ein prüfender Blick vom Scheitel bis zur Sohle. So auch heute.
    Aber heute trug Alice keine zerrissenen Jeans.
    Heute hatte Alice sich ein bisschen Mühe gegeben.
    Aber das bisschen reichte ihrer Mutter offenbar noch nicht. Sie beäugte Alices schlichtes Etuikleid und ihre Pumps, runzelte ganz leicht die Stirn und zuckte dann kaum merklich mit den Schultern, als sagte sie sich selbst: »Na, was kann ich schon erwarten?« Dann stand sie auf, um Alice mit einer Umarmung und einem Küsschen je Wange zu begrüßen. Dabei hinterließ ihr roter Lippenstift Spuren, die flugs mit der Leinenserviette entfernt wurden. Auch so ein Ritual, da Estella immer roten Lippenstift trug.
    Â»Wie geht es dir, mein Schatz?« Estella wartete erst gar keine Antwort ab, sondern winkte sofort den Kellner heran und bat um zwei Gläser Champagner, die nicht einmal einen Atemzug später vor ihnen standen. Alice kam das Tempo, das in der Stadt herrschte, immer extrem vor. In Whattelly lebte man eher so, als könnte alles im Prinzip auch bis morgen warten.
    Â»Alles Gute zum Geburtstag.«
    Estella lächelte, als Alice ihr den als Geschenk verpackten Chanel-Flakon überreichte. Alice schenkte ihrer Mutter immer das Gleiche zum Geburtstag. Das fand sie selbst zwar ziemlich langweilig, aber sie konnte sich sicher sein, dass sie ihrer Mutter damit eine größere Freude bereitete als mit jedem anderen Geschenk, das Alice aus Gründen der Abwechslung oder Spontaneität besorgte.
    Â»Danke dir, mein Engel, wunderbar«, sagte sie, ohne es auszupacken.
    Alice wusste aus Erfahrung, dass ihre Mutter sich nun nach Flo erkundigen würde, das war der nächste Punkt auf der Tagesordnung. Umso mehr staunte sie, als sie stattdessen mit einer Frage konfrontiert wurde, die sie seit zehn Jahren nicht gehört hatte.
    Â»Hast du etwas von deinem Vater gehört?«
    Â»Nein.« Alice runzelte die Stirn. »Hätte ich denn sollen?«
    Â»Ach, ich dachte bloß …«, sagte sie in einem Ton, der sofort verriet, dass mehr hinter ihrer Frage steckte. Aber gerade als Alice nachhaken wollte, sprach Estella weiter: »Also, ich hab schon mal für uns bestellt – du wirst doch etwas essen, Alice, Schatz, du siehst aus, als habest du abgenommen, seit wir uns zuletzt gesehen haben, arbeitest du etwa zu viel? Nathan hat mir erzählt, dass du zu viel arbeitest.«
    Sie schenkte Alice ein Glas Wasser ein, und Alice sah sie erstaunt an.
    Â»Du hast mit Nathan gesprochen?«
    Â»Wir sind uns neulich abends im Browns über den Weg gelaufen.«
    Â»Du warst im Browns?«
    Ihre Mutter war in einem Nachtklub gewesen?
    Nathan war in einem Nachtklub gewesen?
    Â»Ja, ich war im Browns. Nur, weil ich siebenundvierzig bin« – in Wirklichkeit war sie zweiundfünfzig, aber seit ihrem fünfzigsten Geburtstag zählte Estelle rückwärts –, »heißt das noch lange nicht, dass ich nicht ab und zu mal ausgehen und mich amüsieren kann …«
    Sie schwieg, während der Kellner zwei wunderschön angerichtete Teller mit Räucherlachs servierte.
    Estella bestellte jedes Mal Räucherlachs, sie konnte sich einfach nicht merken, dass Alice ihn nicht mochte, und aß dann letzten

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