Kannst du mir verzeihen
unauffällig war. Aber Hanny war sicher, dass sie keine Ahnung hatte, wem dieses Vehikel gehörte.
Edith saà am Steuer, eine Hand ruhte auf dem hölzernen Lenkrad, in der anderen hielt sie eine Flasche Single Malt. Der Wagen stand still, aber Edith schaukelte auf ihrem Sitz, als würde er über kurvige LandstraÃen juckeln.
»Oh! Mein! Gott!«, rief Hanny, doch Edith lächelte bloà selig. Zumindest glaubte Hanny, dass sie lächelte.
»Erste Flasche?«, fragte Hanny mit einem Stirnrunzeln. Sie war noch kaum abgetrunken, es bestand also noch Hoffnung. Der Bus roch oft wie ein Pub nach der Sperrstunde, das Aroma allein musste also noch nicht heiÃen, dass Edith sternhagelvoll war.
»Die zweite.« Dieses Mal war ein selbstzufriedenes Grinsen deutlich zu erkennen. Ganz schön gruselig.
Hanny verzog das Gesicht. Zwei Flaschen verhieÃen gar nichts Gutes. Sie sprang neben Edith auf den Beifahrersitz und legte ihr eine Hand auf den Arm.
»Hast du einen schlechten Tag gehabt?«
Die gemurmelte Antwort war kaum zu verstehen. Jetzt sah Hanny, dass Ediths Gesicht völlig verheult war.
»Heiden«, würgte sie hervor. »Diese gottverdammten Heiden!«
Da wusste Hanny, dass es sich nur um Verrisse handeln konnte. Schlechte Kritiken waren für Edith wie faule Eier: Sie schlugen ihr extrem auf den Magen, da half nur Alkohol.
»Na komm, wir gehen erst mal rein, machen uns was zu essen und eine Tasse Kaffee ...«, redete Hanny beruhigend auf sie ein.
Wütend funkelte Edith sie an und schüttelte so vehement den Kopf, dass sie fast zur Seite fiel.
»Die Komplizin meldet sich gehorsamst zur Stelle. Wir haben einen Auftrag zu erfüllen!«
Hanny tippte vielsagend gegen die Whiskyflasche in Ediths Hand.
»Das?« Edith schielte das Corpus Delicti an. »Das ist gar nichts. Hol mir ein bisschen Eis und Sprudelwasser, dann können wir fahren.«
» Du kannst ganz bestimmt nirgendwohin fahren.« Hannys Stimme war ganz ruhig.
»Wieso, bis hierher hab ichâs doch auch geschafft.«
»Ja, mit deutlich mehr Glück als Verstand.«
»Gut, dann fährst du eben ...«, lallte Edith.
Hanny zögerte.
Vielleicht war es ein Zeichen, dass Edith sturzbetrunken hier aufkreuzte. Vielleicht wollten ihr die Götter oder das Universum oder sonst eine Instanz damit sagen, dass ihr Plan hirnrissig war und sie besser Edith in ihre Küche verfrachten, mit schwarzem Kaffee vollpumpen und dann im Gästezimmer ihren Rausch ausschlafen lassen sollte. Und sie selbst sollte sich auch besser ins Bett begeben und neben die schnarchende Nancy legen.
Doch dann sagte Edith jene verhängnisvollen Worte.
»Willst du es denn gar nicht wissen, Hanny?« Trotz einiger Promille im Blut funktionierte Ediths siebter Sinn offenbar noch ganz hervorragend und verriet ihr, was Hanny vorhatte.
Natürlich wollte sie es wissen.
In diesem Augenblick war ihr nichts auf der Welt wichtiger.
»Okay.«
»Okay?«
»Ich fahre.«
»Cool!« Schlagartig waren die schlechten Kritiken vergessen, und Edith freute sich über die Ablenkung.
Sie versuchten, die Plätze zu tauschen, ohne auszusteigen, was zu einer echten Buster-Keaton-Farce geriet. Zweimal landete Edith auf Hannys Schoà und blieb dort mehrere Minuten lang sitzen. Auf diese Art der Tuchfühlung hätte Hanny gerne verzichtet, und bevor sie weiter traumatisiert wurde, stieg sie doch aus, öffnete die Fahrertür und schubste Edith leicht an.
Edith kippte um wie ein Dominostein.
Und schlief auf der Stelle ein.
Nur mit Mühe passte Hanny in die Poleposition, wo sie dann erst mal eine Weile sitzen blieb. Während sie das hölzerne Lenkrad umklammerte, versuchte sie sich selbst davon zu überzeugen, dass sie, wenn sie eine Vespa fahren konnte, auch mit diesem Liebesmobil fertigwurde.
»Ist doch bloà ein mit Steroiden aufgeplustertes Auto«, brummte sie, drehte den Schlüssel und trat aufs Gaspedal, wie sie sich das bei Edith abgeguckt hatte.
Der Motor des launischen Vehikels sprang sofort an, und der Wagen machte einen Satz nach vorn. Edith schlief und schnarchte weiter und fiel noch etwas mehr zur Seite. Wie ein Kaninchen hoppelten sie ein Stück die StraÃe herunter, dann ging der Motor aus. Edith rutschte von der Sitzbank, rollte sich, die Whiskyflasche fest an sich gedrückt, im FuÃraum zusammen und fing sofort an zu
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