Kanonendonner über der Adria
seiner Tochter sein. Aber was sollte er dort tun? Den werdenden Vater beruhigen? Mit Christinas Schwiegervater trinken? Die Ärzte verrückt machen? Als er sich die Szenerie vorstellte, sah er ein, dass es viel besser war, wenn Britta am Ort war. Sie würde alles mit Sachkunde und Erfahrung ruhig dirigieren. Er würde nur stören. Na ja, als Mittelpunkt der Familie konnte er sich ja wirklich nicht sehen.
Und was schrieb sein jüngster Sohn? Anderthalb Jahre war er nun schon Midshipman und kam sich vor wie ein alter Seebär. Er hatte schon Bootsaktionen kommandiert, einen französischen Leutnant mit dem Säbel niedergerungen, lerne für das Examen als Steuermannsmaat und sei rundum zufrieden. Seinen Freunden ginge es gut. Der Kapitän sei mit ihnen sehr zufrieden und lasse ergebenst grüßen. Allerdings müssten sie jetzt öfter Konvois geleiten, da Wellingtons Nachschub über Santander verschifft werde. Das sei ein wenig langweilig, aber er habe in Plymouth im letzten Monat seine Mutter für zwei Tage sehen können.
Dieser junge Bursche. Im nächsten Monat würde er vierzehn Jahre werden und lebte das Leben eines Mannes. Und er wusste nichts von einem Bruder in Italien. Wie würde er es aufnehmen? Ohne Zweifel würde er seinen Vater verurteilen, der die geliebte und bewunderte Mutter betrogen hatte. Er verurteilte sich ja selbst. Und dennoch war der Gedanke an Maria Charlotta jetzt ganz wach, und er war mit Begehren verbunden. Konnte er nicht damit fertig werden?
Er griff zu den anderen Briefen. Britta schrieb von Charles, Christina und ihrem Schwiegersohn. Sie berichtete vom Alltag und vom Geschäft. Es war alles voller Liebe, Verbundenheit und Frieden. Aber er fühlte keine Leidenschaft. Bei Maria Charlotta würde er sie spüren.
Er warf die Briefe auf den Tisch und war über sich selbst ärgerlich. Was wäre nach Jahrzehnten von Maria Charlottas Leidenschaft übrig, wenn ihre Tochter kurz vor der Geburt stand? Bei Britta war alles, was er bewunderte: unwandelbare Zuneigung und Treue, Partnerschaft, Klugheit, Ehrlichkeit, Opferbereitschaft und so vieles mehr. Und auf einmal sollte das nicht mehr die Leidenschaft aufwiegen? Eigentlich war er ein treuloser Schwächling. Warum hatten das noch nicht mehr gemerkt?
Es klopfte. Mr. Roberts steckte den Kopf in die Tür. »Sir, in zehn Minuten werden die Kommandanten zur angesetzten Besprechung erscheinen. Wollen Sie, dass ich noch etwas vorbereite?«
David musste sich abwenden, damit Mr. Roberts nicht sein ratloses Gesicht sah. Was für eine Besprechung? Alles war weg. Da war nur noch Maria Charlotta.
»An was hatten Sie gedacht, Mr. Roberts?«
»Vielleicht eine Karte Istriens, Sir, und auf jeden Fall die neuesten Agentenmeldungen, Sir.«
Da war es wieder! Er wollte mit seinen Kommandanten besprechen, wie sie die Eroberung Istriens unterstützen und die Interessen Englands wahren könnten. Mein Gott, wie konnte er das vergessen?
»Die Karte brauchen wir. Bitte auch das Handbuch der Admiralität. Leutnant Wale wird sich ja auf die Agentenmeldungen vorbereitet haben. Und Frederick möchte mir bitte noch einen Gin bringen. Mir ist im Magen etwas komisch.«
»Aye, aye, Sir.«
David informierte die Herren Markwood, Rowlandson, Hastings und Wale, dass die Österreicher sehr wenig Truppen für die Eroberung der illyrischen Provinzen entbehren könnten. Graf Nugent wolle sich Ende des Monats mit ihm in Rijeka treffen und dann mit geringem Truppeneinsatz die Bevölkerung Istriens gegen die Franzosen mobilisieren. Das sei nicht aussichtslos, da Istrien zu Österreich gehört habe.
»Natürlich wird von uns erwartet, dass wir die bedeutenden Hafenstädte von See aus einnehmen, dass wir Waffen liefern und dass wir notfalls Truppen schnell von einem Ort zum anderen bringen. Das ist im Rahmen des Gewohnten. Ich frage mich nur, wie wir dabei die britischen Interessen wahren können. Österreich wird uns jederzeit in die Häfen lassen, aber wir sind dann Gäste. Wo haben wir an der Küste Stützpunkte, auf denen wir die Herren sind und nicht die Österreicher fragen müssen? Ich möchte mit Ihnen über die Inseln sprechen, die sich für eine britische Besetzung eignen, und über die Städte, die wir für Österreich erobern können, wobei wir uns die Schiffe als Prisen vorbehalten.«
»Das walte Gott, Sir«, sagte Markwood ungefragt und entschuldigte sich gleich für seine Bemerkung.
»Sie haben nur gesagt, was alle denken, Mr. Markwood. Aber sprechen wir mal über die
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