Kanonendonner über der Adria
Holsten von der natürlichen Begeisterung der Leute anstecken. Und er bemerkte, dass Hauptmann Lazarich nüchtern und kühl handelte und die Scharen gruppierte und ihnen Sergeanten und Korporale zuteilte, die Befehle vermitteln konnten.
Dann rasteten sie auf halbem Wege nach Pazin. Bewohner der Stadt kamen ihnen entgegen, und nun hörte Lazarich nähere Einzelheiten über den Gegner. Es waren etwa achtzig Franzosen, ein italienisches Bataillon, das erst kürzlich aufgestellt worden war, ein Bataillon kroatischer Grenztruppen mit drei Kanonen, insgesamt etwa tausendeinhundert Mann.
Lazarich drehte sich zu Holsten um. »Nun sehen Sie den Unterschied zwischen Land- und Seekrieg. Bei Ihnen kommen nicht dauernd Leute gelaufen und berichten Märchen über Ihre Gegner.«
»Aber es sind immer noch genug Feinde, Herr Hauptmann«, antwortete Holsten.
»Nur mit der Ruhe! Von den kroatischen Grenztruppen läuft mindestens die Hälfte zu uns über, da verwette ich meinen Jahressold. Das italienische Bataillon ist ungeübt und wird rennen, sobald es ernsthaft angegriffen wird. Wissen Sie, es ist sehr schwer, die Nerven zu behalten, wenn die gesamte Bevölkerung gegen einen ist. Wie viele Schritte können sie sich noch von der Truppe entfernen, ehe man ihnen das Messer in den Rücken stößt? Wer schneidet ihnen die Kehle durch, wenn sie verwundet liegen bleiben? Ist die Moral erst weg, ist die Truppe nichts mehr wert.«
Lazarich befahl den Vormarsch auf Pazin. Die Bauernhaufen marschierten an ihren Flanken über Berg und Tal, schwenkten ihre Fahnen und erhielten immer mehr Zuwachs. Die Bauern hatten Befehl, noch nicht anzugreifen, sondern den Feind zu umfassen, sobald Lazarichs Soldaten ihn angreifen würden.
Aber als die Bauern die verhassten Uniformen der Italiener sahen, waren sie nicht zu halten, sondern stürmten auf sie los. Nun musste auch Lazarich mit seinen regulären Truppen angreifen, denn wenn die Bauern zurückgeschlagen worden wären, würde ihre Begeisterung so schnell erlöschen, wie sie entflammt war.
Holsten rückte mit den Soldaten vor und schoss mit ihnen auf die Italiener. Das Gefecht dauerte schon über eine Stunde, als die Bauernhaufen den Feind von den Flanken packen konnten. Und nun flüchteten die Italiener. Holsten lief ihnen mit den anderen hinterher und brüllte wie die anderen seinen Siegesrausch hinaus.
Zwei Haubitzen standen auf der Straße. Der Feind hatte sie einfach aufgegeben. Lazarich trieb seine Leute voran. Die Bauern sprangen über Steine und Baumstümpfe und brüllten jetzt ihren Hass schon im Rücken des Feindes hinaus. Die kroatischen Grenztruppen liefen zu Lazarichs Soldaten über und kämpften nun gegen ihre früheren Herren. Die Italiener und Franzosen warfen ihre Munition weg, ließen die Wagen mit Lebensmitteln und Pulver stehen und rannten nur voran in Richtung auf Motovun, also in Richtung Triest.
Aber sie wurden wieder überflügelt. Holsten rückte mit den Soldaten auf der Straße vor, als ihnen ein Offizier mit einer weißen Fahne entgegenkam. Holsten schickte einen Boten zu Lazarich, der das Feuer einstellen ließ.
Holsten geleitete den feindlichen Befehlshaber zu Lazarich. Der Franzose bot Kapitulationsverhandlungen an, aber Lazarich lehnte rundweg ab. »In Ihrer Lage gibt es keine Verhandlungen, sondern nur ein Ergeben auf Gnade und Ungnade. Legen Sie die Waffen nieder, dann werden wir Ihr Leben schonen.«
Holsten fand das sehr großspurig, aber die Franzosen streckten die Waffen. Als Lazarich dann abzählen ließ, hatten sie drei Stabsoffiziere, sechsundzwanzig Offiziere und neunhundert Mann gefangen. Sechs Verwundete hatte sie der Sieg gekostet.
Zum ersten Mal erlebte Holsten den Hauptmann Lazarich ohne die gewohnte kühle Beherrschung. »Herr Fähnrich, Sie können später Ihren Enkeln erzählen, dass Sie bei dem denkwürdigen Sieg von Pazin dabei waren, der die Befreiung Istriens einläutete. Und vergessen Sie nie, dass Moral und Begeisterung wichtiger als Waffen sind.«
Moral und Begeisterung waren gut, aber sie konnten die Soldaten nicht ersetzen, die sie zur Bewachung der Gefangenen brauchten. Lazarichs Triumphgefühl war schnell verrauscht.
»Verdammt noch mal! Was soll ich bloß machen? Ich kann die Gefangenen nicht den Bauern übergeben. Es käme zu Mord und Totschlag und das befleckt die Ehre unserer Fahne. Und wenn ich die Gefangenen hier in Pazin einsperre, brauche ich alle meine regulären Soldaten, um sie zu bewachen. Verdammt!«
»Herr
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