Kanonendonner über der Adria
Damit würden die Einwohner Dubrovniks auch der letzten Bürgerrechte beraubt werden. Das konnte England nicht wollen und er erst recht nicht. Er steckte den Brief weg und trat vor die Kirche.
Seine Leute kamen zurück. »Der Bursche ist im Kerker«, meldete Alberto. »Sie werden ihm den Prozess machen und ihn hängen.«
»Das hat er verdient. Gehen wir zurück an Bord.«
Im Hauptquartier der Festung standen General Montrichard, sein Stabschef, sein Adjutant, sein politischer Berater und sein Sekretär beisammen. Der Adjutant hatte gerade gemeldet, dass die Briten mehrere Kanonen am Tor Pile aufgestellt hätten, wo sie gut gegen die nächsten Forts abgeschirmt wären.
Montrichard winkte ab. »Die Kanonen interessieren mich überhaupt nicht. Ehe die eine Wirkung erzielen, ist Dubrovniks Schicksal sowieso entschieden. In zwei Tagen erhalten unsere Italiener von Murat, diesem Verräter, den Befehl, die Seiten zu wechseln. Die Kroaten sind schon lange unzuverlässig. Dann können wir niemanden mehr aufhalten. Ich muss heute mit Milutinovic den Kapitulationsvertrag unterzeichnen. Mir ist sowieso unverständlich, warum er noch nichts von Murats Verrat weiß. Sonst hätte er härtere Bedingungen verlangt.«
»Was bietet er uns jetzt, mon général?«, fragte der politische Berater.
»Freien Abzug mit Waffen und Fahnen, Abtransport nach Italien. Mitnahme nur unserer persönlichen Habe. Das alles gilt nicht für unsere Geheimdienstbeamten, die in Gefangenschaft genommen werden sollen. Außerdem behalten die Kaufleute Dubrovniks ihre Handelsprivilegien, können also ohne staatliche Erlaubnis mit allen Partnern auf eigene Verantwortung handeln.«
»Sie haben der Gefangenschaft des Geheimdienstes zugestimmt, mon général?«, fragte der politische Berater.
»Darauf bestehen die Freischärler«, sagte Montrichard. »Der Geheimdienst hat blutig unter ihnen gewütet und Frauen und Kinder nicht verschont.«
»Ja, sie sind kaum besser als eine Mörderbande«, bestätigte der Stabschef.
»Also gibt es keinen Grund, dieses Packs wegen den Vertrag scheitern zu lassen. Aber wenn wir nicht schnell unterzeichnen, bevor die Österreicher von Murats Verrat erfahren, dann werden wir auf den ehrenhaften Abzug nach Italien verzichten müssen. Also gehen Sie zu Milutinovic und teilen Sie ihm mit, dass ich bereit bin, den Vertrag in einer Stunde im Lazarett vor dem Tor nach Ploce zu unterzeichnen.«
Es war ein schlichter Vorraum im Lazarett, in dem Freund und Feind behandelt wurden.
Milutinovic und Montrichard hatten sich höflich, aber reserviert begrüßt.
»Ich bin erstaunt, dass der britische Admiral nicht anwesend ist, General Milutinovic«, sagte Montrichard. »Ohne die Engländer stünden Sie kaum hier. Und ich erwarte, dass er den Vertrag als Zeuge unterzeichnet und für unseren Transport nach Italien bürgt. Sein Schiff liegt im Hafen. Können Sie ihn bitte holen lassen.«
Als David den Verhandlungsraum betrat, begrüßte ihn General Milutinovic mit den Worten: »Sir David, als die Verhandlungen über die Kapitulation der Festung begannen, waren Sie noch nicht anwesend. Aber jetzt, beim Abschluss, sind Sie zugegen, und wir bitten Sie, den Vertrag als Zeuge zu unterzeichnen und als Bürge dafür, dass Ihre Schiffe den Transport der Besatzung nach Italien beschützen werden. Wollen Sie bitte den Vertrag lesen. Wir beide haben schon unterzeichnet.«
David las sorgfältig und unterschrieb dann. »Ich beglückwünsche Sie zum Abschluss der Feindseligkeiten. Wie soll die Übergabe nun praktisch vor sich gehen? Mit den ungebärdigen Freischärlern wird es nicht ganz einfach werden.«
Montrichard meldete sich zu Wort: »Ich schlage vor, wir gehen die wenigen Schritte zur Revellin-Festung. Dort habe ich ein Büro und einen Besprechungsraum. Dort können wir diese und andere Einzelheiten etwas gemütlicher besprechen.«
Es war für David ein eigenartiges Gefühl, die Festung Revellin wieder zu betreten. Niemals hatte er geahnt, dass er einmal als Sieger nach Dubrovnik kommen würde.
Sie gingen eine Treppe empor und traten in ein helles, zum Innenhof gelegenes Büro mit den üblichen Stehpulten und Aktenschränken ein.
David schob sich mit General Montrichard ein wenig vor und zurück, weil jeder dem anderen den Vortritt lassen wollte. Dabei ließ er völlig unauffällig den Brief Murats unter ein Stehpult gleiten, eher er das Kommandantenzimmer betrat.
Ein Diener schenkte Wein ein und sie tranken auf den Frieden.
Dann
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