Kanonendonner über der Adria
aber er schwamm unaufhaltsam näher. Jeden Moment musste er getroffen werden in diesem mörderischen Feuer. Aber er kam durch, griff das Seil und hielt es uns hin. Wir zogen ihn an Bord, holten mit dem dünnen Seil ein dickes Tau ein und sein Kanonenboot zog uns aus dem Feuer. Der Mann, der uns alle gerettet hat, war der fünfzehnjährige Midshipman David Winter.«
»Hört, hört!«, riefen einige. Pellew reichte David die Hand über den Tisch, schüttelte sie und fiel dann in das allgemeine Klatschen ein.
David war verwirrt. Die Erinnerung hatte ihn bewegt. Er wusste nicht, ob er das noch einmal wagen würde. Auf der anderen Seite machte ihn der Beifall verlegen. Er hob die Hand und der Beifall verstummte.
»Meine Herren! Sir Richard hat die Tat eines jungen Mannes sehr bewegend und dramatisch dargestellt. Sie wissen, junge Männer fürchten den Tod weniger als alte, die wissen, was ihnen im Leben geschenkt wurde und was sie verlieren können. Ich bin glücklich, wenn ich helfen konnte, dass unserem Land ein so bedeutender Flottenführer erhalten wurde, und darf Ihnen sagen, dass die unwandelbare Dankbarkeit und Freundschaft eines solchen Mannes mehr als genug Lohn ist. Ich habe Sir Richard seit zwanzig Jahren nicht gesehen, aber Sie haben selbst erlebt, wie ergreifend er seinen Dank auch heute noch äußert. Bitte trinken Sie mit mir auf Sir Richard!«
Er hob sein Glas. Alle tranken und Pellew nickte ihm zu.
Der Flottenarzt wandte sich nach einer Weile zu David. »Ich weiß, Sir David, Ärzte sollten Menschenkenner sein. Aber eine solche Tat hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Ich hielt Sie für den Typ des genau und verwegen planenden Anführers. Aber das war ja persönliches Heldentum im feindlichen Feuer.«
»Ach, Doktor«, antwortete David. »Jetzt vergessen Sie, dass ich heute ein ganz anderer Mensch bin als damals. Frau, Kinder, Jahre voller Erfahrungen verändern Menschen doch völlig.«
»Nicht völlig, Sir David. Der Kern bleibt. Und für Ihre Kinder und Freunde würden Sie auch heute noch Gleiches vollbringen.«
»Vergessen Sie meine Frau nicht!«, monierte David lächelnd und hob sein Glas.
Am Sonntag segelte die Milford durch einen frühlingshaften Morgen der Straße von Bonifacio entgegen, die Korsika und Sardinien trennt. David kam früh mit Larry an Deck und atmete tief durch. Larry lief zu der sandgefüllten Schütte und entleerte sich. Dann musste er wieder eng an Davids Seite. Der große Hund war für Offiziere und Mannschaften noch ungewohnt und manche Seeleute hatten panische Angst vor Hunden.
Den gestrigen Tag vergaß David lieber schnell. Als sie am Morgen von Pellews Geschwader lossegelten, mussten ihn Frederick und Baptiste gemeinsam wach machen, fast zum Waschtisch tragen und ihn mit kaltem Wasser und Kaffee so weit auf die Beine bringen, dass er auf dem Achterdeck der Caledonia zuwinken konnte, wo Pellew groß und wuchtig stand und zurückwinkte. Irgendetwas wie »Viel Erfolg!« dröhnte über die See.
Ist der Kerl überhaupt nicht klein zu kriegen, dachte David und sah mit gewisser Genugtuung, dass auch Kapitän Markwood kaum die Augen aufhalten konnte. »Das hat man nun davon, wenn man solche Berserker rettet«, flüsterte er zu Markwood.
Der stutzte und lächelte dann. »Ja, Sir, aber es war doch ganz unterhaltsam und das Essen war ausgezeichnet.«
»Ich möchte in nächster Zeit kein Essen und Trinken mehr sehen«, antwortete David und verschwand in seiner Kajüte.
Aber das war gestern. Heute freute er sich auf das reichhaltige Frühstück. Und danach waren Gottesdienst und Inspektion angesagt. Er würde die Augen offen halten, wenn er Kapitän Markwood begleitete.
Die Milford hatte als Flaggschiff auch einen Pfarrer an Bord, den David bisher nur flüchtig wahrgenommen hatte. Jetzt lauschte er aufmerksam seinen Worten. Der Mann sprach schlicht und einfach, sodass ihn Seeleute verstehen konnten. David war froh, dass dieser nicht zu der schwülstigen Gattung gehörte, die versuchte, pathetisch Bibelszenen auszumalen. Nein, der Mann sprach realistisch über das alltägliche Leben und zeigte, wie man darin Gottes Wort folgen könne.
»Er ist auch gut bei der Versorgung der Verwundeten«, flüsterte ihm Markwood zu, als David nach der Predigt anerkennend nickte. Dann schritten beide an der Front der angetretenen Divisionen entlang. In Leutnant Hunts Division waren drei Männer, die mit David in der Karibik gesegelt waren. Bei Leutnant Cooper waren zwei in der Ostsee bei David
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