Kanonenfutter
Wache, scheint mir, Mr. Rhodes. Der Master sollte nicht alles allein machen müssen, wie Sie wissen.«
Rhodes erhob sich mühsam und grinste. »Aye, aye, Sir.« Wie ein Schlafwandler wankte er aus der Messe.
Bolitho hatte nichts davon gehört. Er dachte an Aurora. Er benutzte die Erinnerung an sie wie ein Schild, mit dem er die Bilder und Ereignisse dieses Tages von seinem Innern fernhielt.
Dann stand er abrupt auf und entschuldigte sich bei den anderen, als er sich in die private Sphäre seiner Kammer zurückzog. Er wollte nicht, daß sie seine Niedergeschlagenheit bemerkten. Denn als er sich bemüht hatte, im Geiste Auroras Gesicht zu sehen, war nur ein ve rschwommenes Trugbild erschienen. Nicht mehr.
Bulkley schob eine Flasche über den Tisch. »War’s schlimm?« Palliser überlegte. »Es wird noch schlimmer.« Aber eigentlich dachte er an den juwelenbesetzten Halsschmuck, der jetzt achteraus auf dem Meeresgrund lag: eine private Beisetzung.
Der Arzt stieß nach: »Ich freue mich über Murray. Das ist ein kleiner Lichtblick in all dem Elend. Gut zu wissen, daß er frei von Schuld ist.«
Palliser schaute weg. »Ich mache jetzt meine Runde und lege mich dann ein paar Stunden aufs Ohr.«
Bulkley seufzte. »Ich auch. Ich wollte aber darum bitten, daß ich Spillane, den provisorischen Schreiber, ausgeliehen bekomme. Auch ich bin knapp an Leuten.«
Palliser hielt an der Tür inne und sah Bulkley mit leerem Blick an.
»Da müssen Sie sich aber beeilen. Morgen früh wird er vielleicht schon hängen, um Garricks Zorn weiter anzuheizen. Er war nämlich sein Spion. Murray hat gesehen, wie Spillane den Leichnam des alten Lockyer durchsuchte, als er an Bord gebracht wurde.« Die Müdigkeit verwischte Pallisers Worte. »Spillane versuchte, Murray mit Jurys Uhr zu kompromittieren und einen Keil zwischen Vorund Achterdeck zu treiben. So etwas hat es schon öfter gegeben.« Mit plötzlich aufsteigender Bitterkeit setzte er hinzu: »Spillane ist genauso ein Mörder wie Garrick.«
Ohne ein weiteres Wort marschierte er aus der Messe; als Bulkley sich umwandte, sah er, daß Pallisers Hut noch immer auf der Kanone lag.
Was morgen auch geschah, nichts würde je wieder so sein wie bisher, dachte der Arzt, und diese Einsicht machte ihn sehr traurig.
Als die Dunkelheit schließlich den Horizont verwischte und der flache Hügel über der Insel Fougeaux verschwunden war, spiegelten sich die Lichter der Destiny immer noch wie wachsame Augen im Wasser.
Die Schlacht
Über Nacht schien die Insel Fougeaux geschrumpft zu sein, denn als das erste schwache Licht den Horizont erhellte, sah sie nicht viel gr ößer aus als eine Sandbank, Steuerbord voraus von der Destiny.
Bolitho setzte sein Fernglas ab und ließ damit die Insel in den Schatten zurücksinken. Binnen einer Stunde würde er strahlendem Sonnenschein weichen. Er wandte dem Land den Rücken und marschierte langsam auf und ab. Das Schiff hatten sie schon während der Nacht wachen fast gefechtsklar gemacht. Die Seeleute kannten sich an Deck und rund um die Masten so gut aus, daß wenig übrigblieb, was sie erst bei Tageslicht erledigen konnten. Dumaresq hatte das mit der gleichen peinlichen Genauigkeit geplant wie alles, was er anpackte. Seine Männer sollten einsehen, daß der Kampf ebenso unvermeidbar war wie die Tatsache, daß einige von ihnen, wenn nicht gar alle, niemals wieder eine Fahrt mit der Destin y antreten würden. Es gab nur einen anderen Weg, und der war auf der Seekarte des Masters mit zweitausend Faden 15 eingezeichnet und führte senkrecht nach unten.
Dumaresq sorgte aber auch dafür, daß seine Leute so ausgeruht wie möglich waren, wenn sich der Feind zeigte, und nicht erschöpft von aufreibenden Gefechtsvorbereitungen.
Palliser erschien auf dem Achterdeck und sagte nach einem flüchtigen Blick auf Kompaß und Segel: »Ich hoffe, die Freiwache ist gleich fertig mit dem Frühstück?«
Bolitho antwortete: »Aye, Sir. Ich habe befohlen, daß die Köche das Kombüsenfeuer löschen, sobald sie fertig sind.«
Palliser ließ sich von Fähnrich Henderson ein Fernglas geben und unterzog die Insel einer sorgfältigen Prüfung. »Schreckliche Gegend!« Dann gab er Henderson das Glas zurück und sagte: »Hinauf mit Ihnen! Ich möchte unverzüglich Meldung, wenn Garrick sich anschickt, die Lagune zu verlassen.«
Bolitho sah zu, wie der Fähnrich die Webeleinen hochkletterte. Es wurde sehr schnell heller. Er konnte sogar schon die Ketten erkennen, mit denen der
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