Kanonenfutter
ernst: »Das also war der Grund für all die Verzögerungen. Kein Trinkwasser, keine Audienz beim Vizekönig. Sie wollten uns hier festhalten.« Sein Ton klang plötzlich bitter. »Wir haben keine Bewegungsfreiheit, und sie wissen das.«
Überraschenderweise zeigte Dumaresq ein breites Lächeln. Dann rief er: »Macmillan, ich möchte eine Rasur und ein Bad! Spillane, halten Sie sich bereit, einige Befehle für Mr. Palliser niederzuschreiben.« Er ging zu den Heckfenstern und beugte sich über das Süll, den Kopf zum Ruder gesenkt. »Suchen Sie sich ein paar gute Leute aus, Mr. Palliser, und schiffen Sie sich mit ihnen auf der Heloise ein. Treiben Sie möglichst wenig Aufwand, damit das Wachboot nicht aufmerksam wird. Nehmen Sie deshalb auch keine Seesoldaten mit. Gehen Sie Anker auf, und jagen Sie der verdammten Brigg nach. Verlieren Sie sie nicht aus den Augen!«
Bolitho beobachtete die Veränderung, die in Dumaresq vorging. Nun wurde auch klar, warum er Slade daran gehindert hatte, bis in die Innenreede zu segeln. Er hatte eine ähnliche Entwicklung vorausgesehen und nun einen Trumpf in der Hand – wie immer.
Pallisers Hirn arbeitet bereits auf vollen Touren. »Und Sie, Sir?«
Dumaresq beobachtete seinen Steward, der Seifennapf und Rasiermesser neben seinem Lieblingsstuhl bereitlegte.
»Mit oder ohne Trinkwasser, Mr. Palliser, ich werde heute nacht Anker lichten und Ihnen folgen.«
Palliser sah ihn zweifelnd an. »Die Batterie könnte das Feuer eröffnen, Sir!«
»Bei Tageslicht vielleicht. Aber es geht hier um sehr viel, auch um das, was man ›Ehre‹ nennen könnte. Ich beabsichtige, das auszuloten.« Er wandte sich ab und entließ sie damit, fügte dann aber noch hinzu: »Nehmen Sie den Dritten Offizier hier mit. Rhodes brauche ich, auch wenn sein Kopf von der Sauferei zu platzen droht, damit er Ihre Aufgaben hier an Bord übernimmt.«
Zu anderer Zeit hätte Bolitho den Auftrag freudig begrüßt, aber er hatte den Ausdruck in Pallisers Augen bemerkt und erinnerte sich an das Gesicht hinter den Kajütfenstern der Brigg. Aurora würde ihn nun verachten. Es war vorbei, genau wie sein schöner Traum von ihr.
Verfolgungsjagd
Leutnant Charles Palliser ging mit langen Schritten zum Kompaß der Heloise und schaute dann zum Wimpel an der Mastspitze hinauf.
Wie um seine Befürchtungen zu bekräftigen, sagte Slade, der amtierende Master: »Der Wind hat etwas gekrimpt und flaut außerdem ab.«
Bolitho beobachtete Pallisers Reaktion und verglich sie mit der von Dumaresq. Ihr Kommandant lag mit der Destiny noch in Rio und beschäftigte sich zum Schein mit Routineangelegenheiten; so hatte er sogar zwei Matrosen zur Beförderungszeremonie vor versammelter Mannschaft auf dem Achterdeck empfangen. Den meisten Leuten der Besatzung war es völlig gleichgültig, ob die Trinkwasserprähme kamen oder ihr Kommandant vom Vizekönig empfangen wurde. Doch Bolitho wußte, was in Dumaresqs Überlegungen an vorderster Stelle stand: Egmonts Weigerung nachzugeben und seine plötzliche Abreise mit der Brigg Rosario. Ohne Egmonts Mitwirkung hatte Dumaresq keine andere Wahl, als weitere Weisungen von vorgesetzter Stelle abzuwarten. Inzwischen mußte sich die heiße Spur zu Garrick verlieren.
Slade hatte beobachtet, daß die Brigg auf Nordnordost-Kurs gegangen war. Egmont versuchte also, an der Küste entlang in die Karibik zu segeln. Auf einem solch kleinen Handelsschiff konnte es für seine junge Frau sicher recht ungemütlich werden.
Palliser kam zu Bolitho herüber. Auf dem beengten Deck der Brigantine wirkte er wie ein Riese, war jedoch ungewöhnlich zufrieden, stellte Bolitho fest. Palliser konnte hier als sein eigener Herr handeln, wie es ihm richtig schien. Immer vorausgesetzt, daß er die Fühlung zur Rosari o nicht verlor. Aber da der Wind nun so rapide nachließ, bestand immerhin die Gefahr.
»Sie erwarten nicht, daß sie verfolgt werden. Das ist unser einziger Vorteil.« Palliser schaute beunruhigt auf, als die Breitfock kraftlos hinund herflappte, weil der Wind sie nicht mehr füllte. Jetzt fiel auch kein Schatten mehr auf die an Deck schwitzenden Männer. »Ve rdammt!« Dann: »Mr. Slade behauptet, die Brigg würde unter Land bleiben. Wenn der Wind nicht umschlägt, kann er recht behalten. Wir laufen daher weiter auf diesem Kurs. Wechseln Sie die Ausguckposten so oft, wie Sie es für erforderlich halten, und lassen Sie alle Waffen an Bord überholen.« Er verschränkte die Hände auf dem Rücken.
»Strengen Sie die
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