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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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stand dann auf. »Ich gehe zu ihr. Lass dir inzwischen von Jonathan die Dokumente zeigen und unterschreib sie.«
    Damit verließ er das Büro.
     
    Die Gästesuite der Sicherheitsstation auf Tuthula bestand aus drei großzügig eingerichteten Zimmern und einem Hygienetrakt, der neben den üblichen Dingen auch über eine Sauna verfügte und automatische Massagen anbot. Zwei der drei Zimmer konnten innerhalb weniger Minuten in Büros verwandelt werden, die über ein von den Kantaki installiertes Kom-Modul in einer hohen Umlaufbahn Prominents sogar Transverbindungen gestatteten. Der dritte Raum war ein fast hundert Quadratmeter großer Salon mit mehreren Sitzgruppen und einer kleinen pseudorealen Bibliothek. In der Mitte dieses Raums bildeten große, üppig wachsende Pflanzen eine grüne Oase im fokussierten Licht mehrerer Lampen. Valdorian glaubte zunächst, dass es sich um Projektionen handelte, aber die Gewächse schienen echt zu sein. Vielleicht sollten sie einen Kontrast zu der öden Eislandschaft Tuthulas bilden.
    Unweit dieses grünen Zentrums saß Madeleine in einem Sessel und wartete. Sie stand auf, als Valdorian näher kam, streckte ihm die Hand entgegen.
    »Wir haben uns lange nicht gesehen«, sagte sie ruhig.
    Valdorian ergriff kurz ihre Hand.
    »Ja, das stimmt. Wie geht es Ihnen?« Er hatte es nie fertig gebracht, sie zu duzen. Zwischen ihnen war es nie zu der Intimität gekommen, die er sich mit Lidia gewünscht hatte.
    »Wie geht es Ihnen? « , fragte sie und setzte sich wieder.
    Valdorian nahm auf der anderen Seite des Tisches Platz, Madeleine gegenüber.
    »Ich nehme an, Sie wissen ebenso Bescheid wie Rion.«
    »Gewisse Dinge …«
    »Sprechen sich herum, ja. Darauf hat auch Rion hingewiesen.« Valdorian musterte die Frau, mit der er fast dreißig Jahre verheiratet gewesen war. Wann hatte er sie zum letzten Mal gesehen? Vor fünf oder sechs Jahren? Es fiel ihm schwer, sich an die genaue Zeit zu erinnern, doch der Ort hatte sich seinem Gedächtnis eingeprägt: ein vom Konsortium veranstalteter Empfang, zu Ehren der Repräsentanten mehrerer unabhängiger Welten. Valdorian war damals bestrebt gewesen, neue Kontakte zu knüpfen und die Strategie der Expansion fortzusetzen, mit ökonomischen Mitteln. Und plötzlich hatte er Madeleine gegenübergestanden, ohne darauf vorbereitet zu sein. Deutlich erinnerte er sich an den Kummer in ihren Augen, an jene Art von stummer Trauer, die er auch bei seiner Mutter beobachtet hatte. Nein, vielleicht keine Trauer in dem Sinn, aber eine tiefe Melancholie, die alles trübte, selbst den hellsten Glanz, ein vager Schatten, der jeder Farbe einen Grauschleier gab. Diesen Kummer sah er auch jetzt, wie eine Aura, die Madeleine umgab. Sie war – Valdorian rechnete rasch nach – neunundsiebzig und sichtlich gealtert seit jener letzten Begegnung, obwohl auch sie sich in regelmäßigen Abständen Resurrektionen unterzog. Hier und dort waren kleine Falten in ihrem Gesicht tiefer und länger geworden, und die Haut unterhalb des Kinns wirkte nicht mehr ganz so straff. Sie hatte sich ihre Schlankheit bewahrt. Der Glanz ihrer nussbraunen Augen litt unter dem Schatten des Kummers, und das schien auch für das schwarze Haar zu gelten, das in langen Wellen über die Schultern hinwegreichte.
    Schwarzes Haar, dachte Valdorian. So schwarz wie Lidias. Mit diesem Gedanken wiederholte sich, was er während ihrer Ehe häufig erlebt hatte. Wenn er Madeleine ansah, erinnerte er sich an Lidia und begann damit, Vergleiche anzustellen.
    »Es geht mir … den Umständen entsprechend«, sagte Valdorian vorsichtig. »Mir bleibt noch ein gutes halbes Jahr.«
    »Es tut mir Leid, Rungard«, erwiderte Madeleine, und es kam von Herzen. »Es tut mir wirklich Leid.«
    Das war ein wichtiger Unterschied: Sie hatte ihn nie Dorian genannt.
    »Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann …«
    »Nein«, sagte Valdorian sofort. »Es gibt nur eine Person, die mir helfen kann.«
    »Lidia.«
    »Sie haben Rion von ihr erzählt.«
    Madeleine hob wie erstaunt die Brauen. »Halten Sie das für falsch? Er ist kein Kind mehr. Er hat ein Recht darauf, Sie zu verstehen.«
    »Und Sie meinen, er kann mich besser verstehen, wenn er von Lidia weiß?« Valdorian hörte den vorwurfsvollen, bitteren Klang in der eigenen Stimme und versuchte, seine Empfindungen unter Kontrolle zu halten.
    Madeleine maß ihn mit einem Blick, der den Kern seines Selbst zu berühren schien.
    »Lidia hat Ihr ganzes Leben bestimmt.«
    Valdorian fühlte sich auf

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