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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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sein.«
    Lidia erinnerte sich, sah vor ihrem inneren Auge noch einmal, wie die uralte Kantaki in den Transraum hinausglitt. »Ja, das stimmt.«
    »Mutter Krir hat dir damit eine große Ehre erwiesen«, sagte Esmeralda. »Sie muss etwas Besonderes in dir gesehen haben.«
    »Wir standen uns … sehr nahe. Sie nannte mich nicht mehr Diamant, sondern ›Kind‹. Und sie behandelte mich fast wie eine Tochter. Ich habe mit ihren leiblichen Kindern gespielt, und heute fliege ich das Schiff eines ihrer Söhne.«
    »Für die Kantaki ist alles anders«, sagte Esmeralda nachdenklich. »Ich fliege seit siebenhundert Jahren für sie, aber es gibt noch immer viele Dinge, die ich nicht verstehe. Nun, man muss nicht alles verstehen – das gehört zu den Dingen, die ein langes Leben lehrt. Und Geduld. Und vieles mehr.« Wieder erschien das mädchenhafte, von Leidenschaft und Übermut kündende Lächeln auf ihren Lippen. »Glaub nur nicht den Leuten, die behaupten, das Leben würde immer langweiliger, je älter man wird – so stellen es sich junge Personen vor. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Je älter man wird, desto mehr Wunder offenbaren sich. Je mehr Antworten man findet, desto mehr Fragen erwachsen aus ihnen. Wie könnte das Leben langweilig werden in einem Universum, das unzählige rätselhafte und herrliche Dinge enthält? Während meiner vielen Reisen habe ich Erstaunliches gesehen, aber es ist nur ein Vorgeschmack auf das, was mich noch erwartet. Wenn ich müde bin und schlafen gehe, freue ich mich aufs Erwachen, denn es bedeutet, dass ein neuer Tag beginnt, voller Entdeckungen und Überraschungen.« Sie drehte den Kopf und sah Lidia an. »Bist du für eine Überraschung bereit?«
    »Was meinst du?«
    Esmeralda deutete nach oben, in Richtung Wolken, die sich an den Vulkanhang schmiegten. »Aufgepasst«, sagte sie und berührte ein Schaltelement.
    Lichter glühten in einer der Wolken auf, dann glitt etwas aus ihr hervor, eine asymmetrische Masse, die aus vielen einzelnen Segmenten bestand – sie erweckten den Eindruck, aufs Geratewohl zusammengesetzt zu sein. Es sah nach einem Kantaki-Schiff aus, aber es war kein dunkler Koloss, sondern ein bunter. Das Licht der vielen Lampen am Rumpf brachte Farben in allen Nuancen des Spektrums zum Schillern, und hinzu kamen verspielt wirkende Kringel und Tupfer, wie von Kinderhand gemalt. Lidia lächelte unwillkürlich, als sie das Gebilde sah – es kam einer Substanz gewordenen Beschreibung von Esmeraldas innerem Wesen gleich, nur Farben und keine Schatten.
    »Mein bescheidenes Domizil auf beziehungsweise über Aronnàh«, sagte Esmeralda. »Gewissermaßen mein eigenes Kantaki-Schiff. Allerdings wird es nie durch den Transraum fliegen.«
    »Ein … Luftschiff?«, fragte Lidia.
    »Ja. Natürlich eine Sonderanfertigung. War ziemlich teuer. Das ist ein weiterer Vorteil eines langen Lebens – man hat Gelegenheit, viel Geld zu verdienen. Und wir Piloten werden gut bezahlt, nicht wahr? Warum sollten wir uns nicht ein wenig Luxus gönnen, dann und wann?« Sie steuerte den Levitatorwagen zum Luftschiff, und Lidia beobachtete, wie sich in einem Segment eine Schleuse öffnete. »Oh, ich weiß, das Ding ist alles andere als aerodynamisch. Aber wozu gibt es Kraftfelder, die sich beliebig strukturieren lassen?«
    Eine Minute später befanden sie sich an Bord, und Esmeralda führte Lidia in einen mehr als hundert Meter durchmessenden Salon mit transparenten Wänden. Sie deaktivierte die Scheinwerfer am Rumpf des Luftschiffs, ließ nur die Positionslampen eingeschaltet, und dämpfte auch das Licht im Salon. Das Licht der Sterne und des einen Mondes von Aronnàh fiel durch die Fenster, und es entstand eine Atmosphäre ätherischer Ruhe.
    »So gefällt es mir«, sagte Esmeralda und seufzte. »Bitte entschuldige mich. Ich bin gleich wieder da.« Sie verschwand durch eine kleine Tür.
    Lidia trat an eine transparente Wand heran und blickte hinaus in die Nacht von Aronnàh. Das Luftschiff stieg jetzt ebenso auf wie zuvor der Levitatorwagen, langsam, mit würdevoller Eleganz, über die Wolken hinweg; der Hang des riesigen Vulkans schien zum Greifen nah. Einmal glaubte sie, die Lichter eines Bergsteigerlagers auf einem kleinen Plateau zu sehen, aber vielleicht war es auch nur der Mondschein auf einigen weißen Gesteinsformationen.
    Nach einer Weile wandte sie sich um und ließ ihren Blick durch den Salon schweifen. Kleine bunte Sitzgruppen mit flauschigen Kissen wirkten wie Inseln in einer von

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