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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Wagemutigsten und Ausdauerndsten verzweifeln zu lassen. »Was ist dies für eine Welt?«, fragte er. Irgendetwas ließ ihn zögern, obwohl das ersehnte Treffen mit Lidia nun unmittelbar bevorstand. Es war nicht nur die Furcht vor der Rückkehr in den Zeitstrom, die ihn zurückhielt, sondern auch die Erkenntnis, dass die letzte und wichtigste Entscheidung seines Lebens unmittelbar bevorstand.
    »Sie sind auf Mirror, dem dritten Mond des Ringplaneten Nurando«, antwortete Esmeralda. »Nicht die nächste Welt, aber der kürzeste Faden. Es hätte nicht wenige Stunden, sondern Tage gedauert, irgendein anderes Ziel zu erreichen. Nun, eigentlich ist dieser Treffpunkt ganz angemessen. Die Kristalle werden Ihnen alle Ihre Gesichter zeigen, und Diamant wird Sie so sehen, wie Sie wirklich sind. Eine angemessene Strafe für Sie.«
    Strafe?, dachte Valdorian. Wie dumm.
    »Vor vierhundert Jahren habe ich hier einen ganzen Monat verbracht«, fügte Esmeralda hinzu. »Um den Stimmen der Kristalle zu lauschen. Man kann sie hören, wenn man aufmerksam genug ist. Die Kristalle leben und manchmal erzählen sie interessante Geschichten.« Sie winkte. »Hinaus mit Ihnen.«
    Valdorian trat durch die Tür und wurde sofort von einem Kraftfeld erfasst, das ihn nach unten trug und sanft auf dem Boden absetzte. Jonathan landete wenige Sekunden später neben ihm.
    Der von bunten Wolkenbändern umhüllte Riesenplanet mit den schimmernden Ringen hing am Himmel, ein Titan, der den Eindruck erweckte, die Welt mit den Kristallen jederzeit zerschmettern zu können. Leichter Wind wehte durch das Tal, in dem die beiden Kantaki-Schiffe gelandet waren, trug ein sonderbares Wispern und Raunen mit sich.
    Valdorian war in den Zeitstrom zurückgekehrt und spürte, wie die Uhr des Lebens – und des nahen Todes – wieder zu ticken begann, schneller als jemals zuvor, wie um die Zeit aufzuholen, die sie an Bord des Kantaki-Schiffes verloren hatte. Der Schmerz brannte heißer, und die Schwäche ließ ihn schwanken.
    »Lidia …?«, krächzte er und hielt vergeblich nach ihr Ausschau. Sie stand nicht bei ihrem Schiff, und er sah sie auch nicht zwischen den Kristallen.
    »Es war von Anfang an ein Fehler«, murmelte Jonathan.
    Valdorian drehte den Kopf, sah aber nicht seinen Sekretär, sondern das strenge, vorwurfsvolle Gesicht von Hovan Aldritt, und hinter ihm die schwarze Tür, die er öffnen sollte. »Nein!«, stieß er hervor. »Es war kein Fehler. Lidia ist meine einzige Chance.«
    Und er taumelte los, den Kristallen entgegen, die auch zwischen den beiden großen, dunklen Raumschiffen glänzten. In ihm tickte die Uhr, dem Tod entgegen, schnell, viel zu schnell; sie zerteilte nicht nur die Zeit in kleine Partikel, sondern auch Valdorians Kraft, zerstückelte sie wie die Gegenwart, unerbittlich, erbarmungslos. Für dieses Ticken spielte es keine Rolle, wer oder was er war, es löste den Boden unter seinen Füßen auf, und wenn der Rest verschwand, würde er fallen, nicht in die Zukunft, sondern in den finsteren Abgrund, den er schon einmal gesehen hatte, vom Rand der Klippe aus …
    Valdorian taumelte, schnappte nach Luft und hielt sich an einem der aufragenden Kristalle fest, der sich als angenehm warm erwies. Er keuchte und versuchte, ruhig zu atmen, nicht der Schwäche nachzugeben. Vermutlich enthielt die Luft dieses Planeten – dieses Mondes – weniger Sauerstoff, als er brauchte. Jetzt zu ersticken, unmittelbar vor der Begegnung mit Lidia … Welche Ironie des Schicksals wäre das!
    »Dorian?«, ertönte eine melodische Stimme, wie ein Ruf aus der Vergangenheit. »Ich bin hier, Dorian.«
    Valdorian sah auf. Jonathan stand einige Dutzend Meter entfernt, unter Esmeraldas Kantaki-Schiff, das wie ein Berg über ihm aufragte. Durch eine Lücke zwischen den Kristallformationen sah er zum anderen, kleineren Schiff, und dort zeigte sich noch immer niemand.
    »Ich bin hier, inmitten der Kristalle, Dorian«, ertönte die Stimme erneut. »Ich warte auf Sie.«
    Valdorian wankte vorwärts und spürte, wie auch die Luft wärmer wurde. Er konzentrierte sich darauf, ruhig und gleichmäßig zu atmen, ohne der Stimme Beachtung zu schenken, die ihn zu Eile aufforderte und immer wieder an das unentwegte, grausame Ticken der Uhr erinnerte.
    »Wo bist du?«, ächzte er.
    »Ganz in der Nähe, Dorian«, kam die Antwort aus den Kristallformationen.
    Valdorian blieb stehen und lauschte, versuchte festzustellen, aus welcher Richtung die Worte kamen. Das seltsame Wispern und Raunen

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