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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Sehorganen. An einigen Stellen bedeckten silbrig glänzende Stoffteile den dürren Leib, Kleidungsstücke vielleicht, oder Schmuck. Wenn sich der Kantaki bewegte, zeigte sich in seiner unmittelbaren Nähe eine schimmernde Fluoreszenz.
    Ein dürrer Arm streckte sich Lidia entgegen und berührten sie sanft an der Wange. Sie erzitterte innerlich, und das Gefühl der Erhabenheit verstärkte sich, dominierte den größten Teil ihrer emotionalen Welt. Sie glaubte zu spüren, wie der Kantaki in ihre Seele blickte, und ihm schien zu gefallen, was er dort sah.
    Wieder klickte es.
    »Du hast die Gabe«, erklang es aus dem Lautsprecher. »Heute beginnt deine Ausbildung, Lidia DiKastro. Wähle einen Namen, den du als Pilotin tragen wirst.«
    Lidia griff in die Tasche ihres Hosenrocks, tastete nach der kleinen Schatulle und erinnerte sich. Sie hatte den Diamanten eingesteckt, nachdem Valdorian voller Zorn gegangen war, mit der Absicht, ihn später zurückzugeben. Sie durchschaute Valdorian. Der überaus teure Kristall stellte ganz offensichtlich den Versuch da, sie zu kaufen, und das durfte sie nicht zulassen. Dass Dorian nach all den Monaten noch immer glaubte, sie auf diese Weise für sich gewinnen zu können, hatte sie erst verärgert und dann Mitleid in ihr geweckt. Er war und blieb ein Gefangener der Welt, in der er aufgewachsen war, obwohl er glaubte, diese Welt zu kontrollieren. Vielleicht war es dieses Mitleid, das schließlich den Ausschlag gegeben und sie dazu bewogen hatte, den Diamanten zu behalten. Es war keine leichte Entscheidung gewesen, denn sie hielt nichts von teuren Geschenken. Aber der Stein verkörperte mehr als nur die Absicht, sie zu kaufen. Er symbolisierte auch den echten, aufrichtig gemeinten Versuch, eine Brücke zwischen ihnen zu bauen, und das konnte Lidia akzeptieren. Sie wusste, dass es in dem verwöhnten, egoistischen, selbstgefälligen und oft auch arroganten Valdorian den Keim eines anderen Mannes gab, eines besseren Dorian, der nur auf die Gelegenheit wartete, sich entfalten zu können, und sie wollte glauben, dass der Diamant ein Geschenk jenes Mannes war. Deshalb hatte sie ihn behalten. Und weil er etwas symbolisierte: das, was hätte sein können, die andere Straße des Lebens. Ihr gefiel der Gedanke, dass etwas von jenem anderen Weg sie auf dem begleitete, der jetzt für sie begann.
    »Diamant«, sagte sie. »Von jetzt an heiße ich Diamant.«
     

Im Null
    Agorax stand in einem kuppelförmigen Observationszentrum über den Beobachtungstunneln – strahlenförmig gingen sie von der Wabenstadt aus, deren Asymmetrie paradoxerweise an Kantaki-Schiffe erinnerte. Hinter der Metropole namens Äon, die sich durch mehrere Zeitströme erstreckte und gleichzeitig in der Zeit gefangen war, isoliert im Null vom Rest des Universums – sowohl von seiner Zeit als auch von den anderen Dimensionen –, reihten sich die Schiffe der Zeitflotte wie die Perlen einer Kette aneinander. Sie verloren sich schließlich im grauen Dunst kondensierender Zeit an der Peripherie des Null. Die schwarzen Giganten einiger Kantaki-Schiffe leisteten ihnen Gesellschaft, Schiffe der Renegaten, die die Temporalen im Krieg unterstützt hatten. Sie alle warteten, auf eine Gelegenheit, auf eine neue Chance.
    »Niemand übertrifft uns, wenn es darum geht, Geduld zu haben, nicht wahr, Agorax?«
    Der Suggestor drehte sich um. »Das stimmt«, bestätigte er. »Aber manchmal wünsche ich mir trotzdem, die Ereignisse ein wenig beschleunigen zu können.« Die Tentakelfinger seiner Hände formten ein komplexes Bewegungsmuster, eine Geste des Respekts. »Bitte entschuldigen Sie, Pergamon. Ich habe Sie nicht kommen hören.«
    Pergamon zählte zu den Säkularen, zum Zirkel der Sieben, der über die Geschicke Äons und der Zeitflotte entschied. Wie die anderen sechs war er unsterblich, was nicht bedeutete, dass er den Tod nicht zu fürchten brauchte. Gewalt konnte das Leben eines Säkularen beenden, und nur dann wurde ein neuer Unsterblicher geboren. In der ganzen langen Geschichte der Eternen, wie sich die Temporalen nannten, war das nur elfmal geschehen.
    »Schon gut. Nun, mir scheint, als Suggestor sind Sie genau damit beschäftigt. Sie versuchen, die Ereignisse in bestimmte Richtungen zu lenken, und dadurch bringen Sie die Entwicklung voran.«
    Pergamons Hals war besonders dünn und knorrig, und die silbernen Schuppen, die den Rest seines Leibs bedeckten, hatten einen Teil ihres einstigen Glanzes verloren. Der Säkulare war alt, aber der

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