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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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fragen. Sie fühlte es. Der Kontakt mit den Sensoren erweiterte ihr Bewusstsein, und die Gabe in ihr reagierte so darauf, wie es Hrrlgrid in der Pagode angekündigt hatte. Sie nahm das Schiff als eine Einheit wahr, wie einen riesigen künstlichen Organismus, zu dessen Gehirn sie wurde. Ihre Gedanken glitten durch die Nervenbahnen quantengeometrischer Verbindungen, wanderten durch die externen Synapsenkolonien der Datenservi, erkundeten die faszinierende Komplexität der Bordsysteme und lauschten den elektronischen Gesängen in zahlreichen Geräteblöcken und Aggregaten. Floyd hatte Recht. Sie brauchte nicht zu verstehen, wie jedes einzelne Detail funktionierte. Es reichte völlig aus, dass sie die Gesamtheit erfasste, und anschließend genügte ein Wunsch. Nach oben, dachte sie, und der dunkle Koloss stieg auf. Durch die »Fenster« an den gewölbten Wänden sah Lidia, wie der Raumhafen unter dem Kantaki-Schiff zurückfiel, ebenso schrumpfte wie die Stadt Bellavista. Innerhalb weniger Sekunden wurde aus dem Scharlachroten Meer Tintirans ein Tümpel, und dann verwandelte sich der Planet in eine bunte Perle, die in einem schwarzen Meer schwamm, dem Weltraum. Krirs schwarzes Schiff wurde eins mit der Nacht zwischen den Sternen, und nach wie vor gehorchte es Lidias Gedanken.
    Sie spürte eine weitere Veränderung – nicht nur ihr Bewusstsein erweiterte sich, sondern auch ihre Sinne. Sie hörte, sah und fühlte mit den Sensoren des Schiffes, mit seinen Augen und Ohren, nahm die große Transportblase wahr, die es hinter sich her zog, darin Dutzende von Frachtmodulen und Passagierkapseln. Eine Hand berührte ihren Körper, der jetzt nicht nur aus lebendem Fleisch bestand, sondern auch aus Metall und Energie, brodelnder Energie, die von allen Seiten auf sie einströmte, sich in ihr konzentrierte, ohne sie zu verbrennen. Geballte Kraft stand ihr zur Verfügung und zitterte unter ihren mentalen Fingern, die sie formen, der sie Struktur, Gestalt und Richtung geben konnten.
    Die Berührung durch die Hand wiederholte sich, und ein Teil der Ekstase ebbte ab, sodass Rationalität zurückkehren konnte.
    »Nicht zu schnell«, mahnte Floyd. »Ganz ruhig. Fühl das Schiff wie deinen eigenen Körper, Diamant. Ich weiß, dass man beim ersten Mal von all den vielen Eindrücken überwältigt ist, o ja, ich erinnere mich daran, auch wenn dreihundert Jahre vergangen sind. Konzentrier dich darauf, das Schiff zu steuern. Schieb alle anderen Dinge zunächst beiseite.«
    Lidia hörte ihn, nicht nur im Pilotendom, wo er auf dem Podium neben ihr stand, sondern auch in der Sphäre der kochenden Energie, die darauf wartete, von ihr geformt zu werden. »Es ist wundervoll«, flüsterte sie ergriffen.
    Mit einem ihrer Augen – sie hatte jetzt tausende – sah sie sein Lächeln. Und plötzlich begriff sie den Hinweis darauf, er sähe mehr als die meisten anderen.
    »Es ist erst der Anfang, Diamant. Die beiden Akuhaschi übermitteln dir jetzt die Navigationsdaten – bring uns in den Transraum.«
    Lidia hielt an beidem fest, an der Ekstase ebenso wie an der Rationalität, und einen winzig kleinen Teil der Kraft benutzte sie, um sich zu konzentrieren. Sie bekam ein immer deutlicheres Gespür für das Schiff. Es fühlte sich nicht direkt wie ihr Körper an, eher wie ein Teil davon, wie ein Bein oder eine Zehe, die sie bewegen konnte, wenn sie wollte.
    Myriaden von Daten strömten kreuz und quer durch das Schiff – es war die Sprache, in der sich die zahllosen Bordsysteme miteinander verständigten. Einer dieser Datenströme floss in Lidias Richtung, und sie öffnete ihr Selbst für ihn. Die vielen Übungen in der Pagode halfen ihr jetzt zu verstehen. Sie nahm die Navigationsdaten so entgegen wie einen Hinweis darauf, in welche Richtung sie sehen sollte.
    »Ja, so ist es richtig«, lobte Floyd, dessen Hand noch immer an ihrem Arm ruhte. »Du kennst jetzt das Ziel. Bring uns dorthin, Diamant. Bring uns in den Transraum.«
    Lidia atmete tief durch, bewegte die mentalen Finger und berührte damit ihre Gabe. Ihr Selbst dehnte sich aus, öffnete eine Tür zwischen den Dimensionen, und gleichzeitig spürte sie, wie das Triebwerk des Kantaki-Schiffes noch mehr Energie zur Verfügung stellte, eine Kraft, die kanalisiert werden wollte. Lidia zog die Tür zwischen den Dimensionen weit auf, nahm die Energie, das Brodeln und Kochen, schob sich selbst und das Schiff damit in den Transraum.
    Diesmal waren die Eindrücke so fremdartig, dass sie zunächst nichts damit

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