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Kantaki 01 - Diamant

Kantaki 01 - Diamant

Titel: Kantaki 01 - Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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erklang unverkennbare Ehrfurcht in seiner Stimme. »Jede einzelne Kugel ist ein Universum, und es gibt Milliarden und Abermilliarden davon. Man kann sie berühren. Nur zu, versuch es.«
    Lidia streckte die Hände aus, griff vorsichtig nach einer der Kugeln, blickte in sie hinein und sah die Feuerräder von Galaxien.
    Die Unendlichkeit zu berühren, die Ewigkeit …
    Lidia ließ die Kugel los, und daraufhin kehrte sie zu den anderen zurück, reihte sich ein in den bunten Tanz.
    Floyd drückte ihre Hand. »Du hast deine Gabe früh entdeckt und bist jung. Hier, außerhalb der gewöhnlichen Zeit, erwartet dich ein wirklich langes Leben. Stell dir all die wundervollen Dinge vor, die du sehen und entdecken kannst …«
    Lidia spürte etwas, das über Ekstase hinausging, ein Glücksgefühl, das bis in die abgelegensten Winkel ihres Selbst reichte, Herz und Seele erfüllte. Dies war die Erfüllung aller ihrer Wünsche, die absolute, definitive Bestätigung dafür, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Gleichzeitig regte sich tief in ihr eine Trauer, die das Glücksgefühl nicht etwa beeinträchtigte oder infrage stellte, sondern durch den Kontrast noch deutlicher werden ließ. Wenn du das hier sehen könntest, Dorian …, dachte sie. Dann wüsstest du, dass du die falsche Entscheidung getroffen hast.
     
     

Im Null
    Die Wabenstadt Äon kam nie völlig zu Ruhe, aber es gab Phasen von geringerer Aktivität, und eine dieser Phasen nutzte der Suggestor Agorax, um die Genese aufzusuchen, einen speziellen Raum, der wie das Observationszentrum die Informationen der Beobachtungstunnel empfing und Entwicklungstendenzen zeigte. Andere Eterne befanden sich dort, in der Mehrzahl Observanten, und sie zeigten Gesten des Respekts, als sie Agorax bemerkten – offenbar wussten sie von dem neuen Status, den der Säkulare Pergamon ihm verliehen hatte.
    In der Mitte des halbdunklen Raums schwebte eine Kugel und präsentierte ein auf den ersten Blick verwirrend anmutendes Durcheinander aus bunten Linien, Kringeln, Kreisen und geometrischen Formen. Agorax trat näher – die anderen Eternen machten ihm Platz – und betrachtete die Wahrscheinlichkeitsmuster mit den besonderen Augen der Intuition. Sie war wichtig, die Intuition. Man musste ein Gespür dafür haben, wie sich gewisse Dinge entwickeln konnten. Ein guter Suggestor brauchte diesen besonderen Sinn, um dort Einfluss zu nehmen, wo ein einzelnes Wirkungsquant viel ausrichten konnte.
    Intuition war es, die ihn hierher geführt hatte, ein leises Prickeln der Aufregung, das ihm mitteilte: Hier ist etwas möglich. Er betrachtete die Muster, und während er ihre Bedeutung erfasste, schienen sie für ihn in Bewegung zu geraten. Die Aufregung wuchs in ihm, als er seine Hoffnungen bestätigt sah: Es gab eine Möglichkeit, fast direkten Einfluss zu nehmen, und zwar mithilfe einer Anomalie auf Kabäa, die die Kantaki noch nicht in die gewöhnliche Raum-Zeit reintegriert hatten. Und damit noch nicht genug: Er selbst konnte dort aktiv werden, eine Projektion von ihm – mehr als nur ein Gedanke, der durch einen Riss im Schild glitt, aber weniger als ein ganzes Selbst.
    »Kabäa«, sagte er leise. »Komm nach Kabäa, Valdorian.« Er verließ den Projektionsraum in der Wabenstadt, kehrte in die Beobachtungstunnel zurück und begann damit, bestimmte Ereignisstränge miteinander zu verknüpfen.
     
     

11
Guraki
Februar 421 SN ·  linear
     
    »Wie lange dauert es noch?«, fragte Valdorian.
    »Ich bin gleich fertig«, erwiderte der Chefarzt des Krankenhauses von Gateway – er hieß ausgerechnet Moribund.
    Gekleidet in einen zitronengelben Patientenkittel lag Valdorian auf einem Bett, starrte zur weißen Decke hoch und versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten.
    Das Feuer des Zorns, das ihn unter dem dreitausend Meter dicken Eismantel gewärmt hatte, brannte noch immer in ihm.
    Der Arzt blickte auf die Anzeigen der summenden Sondierungsgeräte und löste mehrere Sensoren von Valdorians Leib. »Während der nächsten Tage sollten Sie sich schonen. Ich habe alle Ihre Verletzungen behandelt, und unter normalen Umständen wäre die beschleunigte Rekonvaleszenz durch zellulare Stimulation kein Problem. Aber bei Ihnen …« Moribund zögerte und suchte nach den richtigen Worten.
    Valdorian schwang die Beine über den Rand des Bettes und setzte sich auf. Zwei Soldaten standen neben der Tür Wache. Ihre Kampfanzüge trugen die Insignien des Konsortiums – sie gehörten zu Cordobans

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