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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Flößen über den Staubozean von Drankor segelt, aber ich weiß, dass ich auch noch jemand anders bin, ich warte und andere warten in mir, ich höre ihre Stimmen, sie wollen leben, leben wie ich, sie… wollen… leben…«
    Raimon heulte die letzten Worte und bebte dabei am ganzen Leib. Er hob die Arme, presste sich die Fäuste an die Schläfen und kreischte aus vollem Hals.
    Eklund stand auf und drückte den Jungen an sich. »Ruhig, ganz ruhig, Raimon«, sagte er immer wieder, und allmählich verklang das Kreischen. Kurz darauf ließ auch das Zittern nach, und Eklund spürte, wie Raimon in seinen Armen zu erschlaffen schien. Er löste den einen Arm von ihm, stützte sich auf den Gehstock – der Schmerz im Rücken war heftiger geworden – und sah den Jungen an. Raimon hatte jetzt wieder sein eigenes Gesicht, und nichts deutete mehr auf die fremden Züge hin, auf die anderen Personen, die aus ihm gesprochen hatten.
    »Das war das Unheimlichste, was ich jemals erlebt habe«, hauchte der junge Sekurito. Eklund merkte erst jetzt, dass er aufgestanden und zurückgewichen war.
    Der ältere Uniformierte starrte mit offenem Mund.
    »Bitte gestatten Sie mir, den Jungen fortzubringen«, sagte Eklund und schob Raimon in Richtung Tür. Dort drängten sich neugierige Brüder und Schwestern zusammen, vom Kreischen angelockt. »Wie ich schon sagte, er hat ein schweres Trauma erlitten und braucht Zeit und Ruhe, um sich davon zu erholen.«
    Der ältere Sekurito nickte nur.
     
     

18  Weltensturz
     
Zitadelle von Kerberos
16. April 421 SN
16:35 Uhr
     
    Bruder Eklund musterte Raimon aus dem Augenwinkel, als sie durch einen breiten Tunnel gingen, dessen Wände fleißige Hände schon vor vielen Jahren geglättet hatten. Ein Schatten war auf das Gesicht des Jungen gefallen, das jetzt noch schmaler und hohlwangiger wirkte als vorher. Einmal sah Raimon kurz auf, und die seltsame Dunkelheit in seinem Gesicht schien sich zu verdichten, als er sagte: »Es tut weh.«
    Eklund blieb stehen. »Was tut weh?«
    Raimon hob die Hände und drückte sie sich an die Schläfen. »Hier drin. Es tut weh.«
    Brüder und Schwestern kamen vorbei, begleitet von Sekuritos. Dies war nicht der geeignete Ort für ein Gespräch. »Ich werde versuchen, dir zu helfen«, sagte Eklund ernst. »Aber nicht hier. Ich kenne da einen Ort… Es ist nicht weit. Komm, Raimon.«
    Er nahm die Hand des Jungen, und sie setzten den Weg durch den Tunnel fort. In diesem peripheren Bereich der Zitadelle hatte vor kurzer Zeit ein neues Projekt begonnen. Einige kreative Mitglieder der Aufgeklärten Gemeinschaft hatten so genannte Lichtschächte angelegt – eine Erweiterung natürlicher vertikaler Erosionstunnel – und Spiegel so platziert, dass das Licht selbst weit entfernte Korridore und Wohnhöhlen erreichte.
    »Sieh nicht direkt in die Spiegel«, riet Eklund dem Jungen. »Das Gleißen würde dich blenden.«
    Kurz darauf erreichten sie einen der Lichtschächte, und Raimon wandte sich sofort der Leiter zu, die an der einen Wand nach oben führte.
    »O nein, mein Junge, für solche Kletterpartien bin ich zu alt.« Er trat zu einer Nische in der gegenüberliegenden Wand, zog dort eine Levitatorscheibe hervor und aktivierte sie. Ein leises Summen erklang, und die Anzeigen wiesen auf siebzig Prozent Akkumulatorladung hin. »Dies ist schneller und bequemer. Wie gesagt, das Privileg des Alters.«
    Die Scheibe trug Bruder Eklund und seinen Novizen durchs Licht, vorbei an den Spiegeln. Ein ganzes Stück weiter oben verließen sie den Lichtschacht am Boden eines tiefen Einschnitts, der das Pelion-Massiv wie eine Kerbe durchzog. Eklund betätigte die Kontrollen der Levitatorscheibe und ließ sie weiterfliegen, über einen schmalen Pfad hinweg, der sich an Felsformationen entlang wand und an einem großen, plattformartigen Felsvorsprung endete, der aus der Gebirgswand ragte und dessen Oberfläche völlig eben war. Von dort hatte man einen prächtigen Blick auf das Riffmeer und einen Teil der Stadt. Das Delta wirkte wie ein silberner Teppich, durchsetzt von grünen und braunen Tupfern. Fern über dem Meer brauten sich dunkle Wolken zusammen; ein Unwetter kündigte sich an.
    Eklund landete, trat zusammen mit Raimon von der Scheibe herunter und deaktivierte sie.
    Nur das Flüstern des Windes war zu hören. Die rauschende Stimme des Meers drang nicht bis in diese Höhe, und es war nicht annähernd so stickig und heiß wie unten in Chiron.
    Sie nahmen auf einer Sitzbank aus Holz Platz, die

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