Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)
erlaubte, sie zu Zellverbänden zusammenzufassen – die erste Phase bei der Produktion von Bionen. Einige Menschen und Haitari arbeiteten bei den Bassins und sahen der vorbeischwebenden Plattform mit den beiden Tal-Telassi-Schülern erstaunt nach.
»Jetzt sind wir in Sicherheit«, sagte Dominik erleichtert.
»Von jetzt an gibt es nie wieder Sicherheit für uns. Ich habe eine Großmeisterin geschlagen, Domi. Das Mindeste, was mich dafür erwartet, ist die Dunkelstrafe.«
»Nein«, widersprach Dominik mit fester Stimme und steuerte die Plattform an einer Gruppe aus Technikern vorbei. Sie winkten, und er erwiderte den Gruß. »Nein, damit ist Schluss. Ich werde nicht zulassen, dass Norene dir noch irgendein Leid zufügt. Damit ist endgültig Schluss.«
»Wie willst du sie daran hindern?«
Er hob eine Hand. »Hiermit«, sagte er und meinte die violetten Fingerspitzen. »Von jetzt an wird sich alles ändern, was uns betrifft, Loa. Ich habe das Versteckspiel und die Heimlichkeit satt. Wir sind ein Paar, und das ist weder eine Schande noch ein Verbrechen. Ich möchte mich über unser gemeinsames Leben freuen können, anstatt immer Entdeckung befürchten zu müssen. Und ich möchte mehr Zeit mit dir verbringen, viel mehr Zeit.« Dominik lächelte bei diesen Worten und legte den Arm um die neben ihm stehende Loana. Die freie Hand blieb an den Navigationskontrollen.
Ein oder zwei Sekunden lang schien Loana mit sich zu ringen, und Dominik befürchtete plötzlich, dass sie sich von ihm abwenden würde. Doch die Angst verflog, als sie sich an ihn lehnte. »Du willst gegen die Regeln verstoßen«, sagte sie.
»Auch Norene hat dagegen verstoßen«, erwiderte Dominik. Die Leviplattform passierte eine lange Reihe aus großen, miteinander verbundenen Brutbottichen, in denen aus Einzellern komplexe Vielzeller wurden. Hier fand die zweite Phase der Bionenproduktion statt. Mehrere Tal-Telassi überprüften Gewebeproben und gaben den wachsenden zyotischen Organismen die Prägung, die später unterschiedlich strukturierte Bione aus ihnen machen würde. Ihre überraschten Blicke folgten den beiden jungen Erwachsenen auf der Plattform. »Außerdem sind es alte Regeln. Sie berücksichtigen nicht die Präsenz eines männlichen Tal-Telassi.«
»Du bist noch kein Tal-Telassi.«
»Offiziell nicht. Aber du hast gesehen, wozu ich imstande bin.« Sie erreichten eine weitere Abzweigung in dem ausgedehnten System aus Fluren, Tunneln und Korridoren. Dominik lenkte die Plattform nach links, in Richtung Lyzeum. Als er nach der Präsenz des erwachenden Selbst horchte, stellte er fest, dass es verschwunden war.
»Ich kann Norene nicht mehr wahrnehmen«, sagte er. »Das bedeutet, sie ist wach.«
Loana sah sich um, als befürchtete sie, dass die Großmeisterin plötzlich hinter ihnen auftauchte.
Dominik beobachtete, wie ihre Furcht zurückkehrte. »Ich spreche mit ihr«, versprach er. »Ich kläre die Sache, für immer. Es wird alles gut, glaub mir.«
Sie nickte, aber die Skepsis stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
Schließlich erreichten sie den Wohnbereich des Lyzeums. Hier waren die Korridore wieder still und leer – die Schülerinnen schliefen. Vor der Unterkunft, die Loana noch immer mit zwei anderen Schülerinnen teilte, hielt Dominik an.
Loana hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, trat von der Plattform herunter und zögerte.
»Ich spreche mit ihr«, wiederholte Dominik, um ihr Mut zu machen. »Gleich morgen. Von jetzt an verstecken wir uns nicht mehr.«
Loana sah zu ihm auf. »Hast du gelogen?«
»Was meinst du?«
»Bist du wirklich davon überzeugt, dass ich meine Gefühle behalten und trotzdem eine Tal-Telassi werden kann?«
Sie hat es nicht gesehen , dachte Dominik, aber er behielt diesen Gedanken für sich, verbarg ihn tief in seinem Innern. Norene hat es ihr gezeigt, aber sie hat es nicht gesehen. Weil sie es nicht sehen wollte ?
»Ich werde dir dabei helfen, zur Tal-Telassi zu werden«, sagte Dominik, und diese Worte verstießen nicht gegen die Wahrheit.
Loana nickte erneut, wie um sich selbst etwas zu bestätigen, drehte sich dann nach einem letzten, kurzen Lächeln um und verschwand in ihrem Quartier.
Die Nacht war kurz und doch endlos lang. Im matten Schein einer kleinen Lampe lag Dominik auf dem Bett, ließ seine Gedanken treiben und fürchtete gleichzeitig, wohin sie ihn bringen mochten. Was auch immer geschah: Er wollte nicht auf Loana verzichten – sie war die einzige Person, an der ihm etwas
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