Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)
Schiffe der Kronn. Ein Schatten von Schmerz lag in den braunen Augen und verschwand auch nicht, als er mehrmals blinzelte. Das ebenfalls braune Haar war kurz, zeigte an einigen Stellen erstes Grau. Gerötete Kontaktstellen am Hals wiesen darauf hin, dass er vor kurzer Zeit Bione verwendet hatte. Tako sah einen Mann, der knapp fünfzig war, doch in wenigen Jahren mehr gesehen und erlebt hatte als andere in einem ganzen Leben. Manchmal fühlte er sich alt, obwohl die besten Jahre eigentlich noch vor ihm liegen sollten. Die Narbe im Gesicht war für ihn ein Zeichen der Schuld, für andere das Ehrenmal eines erfolgreichen Kämpfers. Keil Karides. Ein tapferer Mann, der auf viele erfolgreiche Einsätze zurückblicken konnte. Doch tief in seinem Innern war er seit zwei Jahren ein Wrack, jemand, der nur noch vom Bewegungsmoment seines vorherigen Lebens angetrieben wurde, ohne zu wissen, wohin ihn seine Schritte trugen. Bis vor wenigen Tagen. Bis er den Jungen gesehen hatte. Es begann sich tatsächlich eine Leere in ihm zu füllen; in dieser Hinsicht hatte Norene 19 durchaus Recht.
Sie will ihn mir wegnehmen.
Jähe Furcht stieg in ihm empor, als er begriff: Er hatte im Konferenzzimmer keinen endgültigen Sieg errungen, nur Zeit gewonnen. Wie sollte er Dominik bei sich behalten, wenn er wirklich eine Ausbildung bei den Tal-Telassi brauchte? Und wie konnte er überhaupt daran zweifeln, dass der Junge nach Millennia gehörte? Er hatte es von ihm selbst erfahren!
»Tako!«
Er drehte sich langsam um, im Netz der eigenen Gedanken gefangen, und sah Rinna, die auf ihn zulief, gefolgt von Miriam und Xandra.
»Meine Güte, ist dir ein Graken über den Weg gelaufen?«, fragte die junge Frau, als sie seinen Gesichtsausdruck sah.
»Nein, ich … Schon gut.« Tako sah an Rinna vorbei zu den beiden anderen Frauen. »Miriam, Xandra … Lange nicht gesehen. Wie geht es euch?«
»Uns geht es gut, wie immer«, erwiderte Miriam. »Aber dir scheint gerade etwas einen gehörigen Schrecken eingejagt zu haben.«
Die Zwillinge von Malo trugen selbst hier in der Bastion einen Kampfanzug, grau wie die Wände des Korridors und ausgestattet mit dem Neuesten und Besten, was Bionik und Tronik zu bieten hatten. Sie waren zehn Jahre älter als Rinna, Ende dreißig, und auch ein wenig größer. Das rote Haar trugen sie ganz kurz, in einem Bürstenschnitt, und beide hatten teure, wurmartige Mini-Mneme an den Schläfen, externe Gedächtnisse, die alles aufzeichneten, selbst die kleinsten Kleinigkeiten. Wer die Zwillinge zum ersten Mal sah, verwechselte sie immer wieder miteinander, aber Tako hatte gelernt, Unterschiede zwischen ihnen zu erkennen. Der größte betraf die Eloquenz: Miriam war weitaus redseliger als ihre Schwester Xandra, die lieber schwieg. Aber es gab noch andere, subtilere, vor allem in Gestik und Körperhaltung. Auch darin kam Xandras größere Reserviertheit zum Ausdruck, während Miriam in jeder Hinsicht zu mehr Überschwang neigte.
Rinna bewunderte sie und eiferte ihnen nach, manchmal, wie bei den Bionen, auf eine dumme Art und Weise. Die Malo-Zwillinge gehörten zu den wenigen Personen, die es ohne Gefühlsdämpfung in der Nähe einer Grakenpräsenz aushielten, vielleicht deshalb, weil zwischen ihnen eine besondere Verbindung existierte, die sie gegenseitig schützte.
»Wir wollten zum Feuerband, um dort etwas zu essen«, sagte Rinna. »Was hältst du davon, uns zu begleiten?«
»Oh, natürlich kommt er mit.« Miriam ergriff Tako am Arm und zog ihn einfach mit sich. »Und keine Widerrede.«
Tako wäre viel lieber allein gewesen, um mit der plötzlichen Sorge fertig zu werden und seine Gedanken zu ordnen, aber er wollte auch nicht unhöflich sein. Zusammen mit den drei Frauen ging er durch den Korridor, und es dauerte nicht lange, bis sie eine der Hauptverkehrszonen der Bastion erreichten: einen saalartigen Raum mit auf Levitatorkissen schwebenden Ruhezonen in der Mitte und zahlreichen langen Verbindungstunneln, die in verschiedene Bereiche von Airon führten. Wieder erwiderte Tako die Grüße anderer Angehöriger der Streitkräfte. Er zwang sich dabei, die Betreffenden anzusehen und kurz zu lächeln, kam sich aber wie ein schlechter Schauspieler vor. Eins von vielen individuellen Levitationsfeldern trug sie in ein buckelförmiges Außensegment der Bastion, das als Treffpunkt, Kantine, Restaurant und Kommunikationszentrum diente. Mindestens zweihundert Personen hielten sich dort auf, Repräsentanten von mehr als zwanzig
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