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Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)

Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)

Titel: Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Wahrnehmung. Tako öffnete die Augen und stellte fest, dass er nackt im Innern einer runden, zylinderförmigen Kammer stand. Er wusste nicht, ob es kalt oder warm war – seine Haut blieb taub. Mattes Licht kam von den Projektoren weiter oben und durch ein Fenster auf der rechten Seite. Tako drehte sich und spürte dabei einen seltsamen Widerstand, als hätte die Luft die Konsistenz von Melasse.
    Auf der anderen Seite des Fensters stand Norene 19 in ihrem blauen Bionenanzug, das blasse Gesicht vom schwarzen Haar umrahmt. Ihr Blick war völlig emotionslos. Hinter ihr bemerkte Tako drei weitere Tal-Telassi, die nicht so jung wirkten wie Norene und weiße Gewänder trugen. Bione wölbten sich an ihren Hälsen.
    »Wir haben darauf gewartet, dass Sie das Bewusstsein wiedererlangen«, sagte sie. »Die Hinrichtung findet jetzt statt.«
    Es geschah nicht zum ersten Mal, dass Tako mit dem Tod konfrontiert wurde, aber nie zuvor hatte er sich dabei so hilflos gefühlt. Seltsamerweise regte sich keine Furcht in ihm – die Angst vor dem eigenen Ende hatte er zwei Jahre zuvor auf Meraklon verloren. Stattdessen fühlte er Zorn. Er wollte die Hände heben und sie vor dem Fenster zu Fäusten ballen, doch nach einigen Zentimetern ließ der zunehmende Widerstand keine weiteren Bewegungen zu.
    »Ich bin unschuldig, und das wissen Sie genau!«, brachte Tako hervor.
    Norene achtete nicht auf seine Worte und trat zu den drei in weiße Gewänder gekleideten Tal-Telassi. »Die Desintegration beginnt .«
    Im Innern des Zylinders wurde das von oben kommende Licht heller, und Tako spürte ein schnell unangenehm werdendes Prickeln. Ein Teil von ihm blieb zornig, während ein anderer nicht glauben konnte, dass dies tatsächlich das Ende für ihn sein sollte. Aber das Prickeln wurde zu einem Brennen, das auf zellulare Auflösung hindeutete, und das Licht zu einem Gleißen. Tako schloss die Augen, doch das Schimmern durchdrang die Lider, fand einen Weg in den Schädel und verbrannte seine Gedanken.
    Er … starb …
     
     
    Ein … Nichts umgab ihn, etwas, das noch leerer war als das All zwischen den Galaxien. Er schwebte darin, ohne sich aufzulösen. Oder hatte er sich schon aufgelöst? Waren dies die Echos seiner letzten Gedanken, der Widerhall des Sterbens?
    Mit einer Mischung aus Neugier und Enttäuschung fragte sich Tako, ob dies das Jenseits war, das in vielen Religionen eine so große Rolle spielte. Es schien kaum die vielen Gedanken wert zu sein, die sich die Lebenden darum gemacht hatten.
    Dann begriff Tako, dass das Nichts seine eigenen Gedanken enthielt, dass er in der Lage war, über seine Situation nachzudenken. Und er fühlte etwas, eine Berührung, die nicht seinem Körper galt – der vielleicht gar nicht mehr existierte –, sondern dem Geist.
    Etwas anderes vermittelte den Eindruck von Bewegung, und es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, dass er selbst sich bewegte. Die Präsenz, die ihn berührt hatte, dehnte sich zwischen seinen Gedanken aus, suchte dort nach etwas …
     
     
    … Er starrt auf die dürre Alte mit dem grauweißen Haar und einem fast farblosen, von zahlreichen Falten durchzogenen Gesicht hinab, und Zorn steigt in ihm empor, weil sie ihn belogen und benutzt hat, weil er es ihr verdankt, dass er Teil des Grakentraums geworden ist. »Es ist alles Ihre Schuld!«, zischt er und schlägt zu. Seine Faust trifft die greise Frau mitten im Gesicht, zertrümmert ihr die Nase …
     
     
    Die Präsenz wuchs weiter, lenkte seine Gedanken vorsichtig in neue Richtungen, drängte sie behutsam beiseite und suchte unter ihnen nach Schatten von Erinnerungsbildern.
     
     
    Myra sieht zu ihm auf, eine alte Frau, die siebenundzwanzig Leben geführt hat. Dies ist ihr letztes, das hat sie von Anfang an gewusst, und es geht hier zu Ende.
    »Sie müssen jetzt sehr stark sein, Keil Karides«, sagt die Greisin. Das Krächzen ist verschwunden; ihre Stimme klingt fast so wie an Bord der Talamo .
    » Ich muss stark sein?«
    »Ich brauche meine ganze Kraft und muss mich aus Ihnen zurückziehen.« Sie seufzt, zum letzten Mal. »Ich werde versuchen, den fatalen Traum von hier aus ins Zentrum des Grakentraums zu transferieren.«
    Die Tal-Telassi, eine von drei Großmeisterinnen, schließt die Augen, holt tief Luft … und stirbt.
     
     
    Das Nichts verschwand. Tako schlug die Augen auf. »Das ist die Wahrheit!«, wollte er sagen, brachte aber keinen Ton hervor. Kühle, grüngelbe Gelmasse umgab ihn, und er stellte fest, dass er nicht

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