Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
eine Wort genügte Tubond, denn es war das Ergebnis einer umfangreichen Datenanalyse.
»Niemand von uns hat Schuld auf sich geladen«, fuhr die Meisterin fort. »Und in ihrer vierundzwanzigsten Inkarnation, als Dominik, sühnte Ahelia für ihren damaligen Fehler, der die Graken zu uns brachte. Sie und Tako Karides ermöglichten unseren ersten großen Sieg über den Feind, und wir Tal-Telassi werden alles tun, damit er nicht der einzige bleibt. Aber …« Elonora gab diesem Wort eine gewisse Schärfe und ließ eine Pause folgen. »Aber wir möchten nicht mehr nur … benutzt werden. Dreiundzwanzig Jahre lang hat man nicht nur mit dem Finger auf uns gezeigt, sondern uns die wichtigsten Rechte freier Bürger vorenthalten. Wir möchten wieder über uns selbst bestimmen können wie alle freien Völker und Volksgruppen der AFW. Wir möchten uns wieder selbst verwalten, in eigener Verantwortung über unsere Geschicke bestimmen.«
Während Elonora diese Worte sprach, erhielt Tubond aktualisierte Informationen aus allen Teilen der Allianzen, auch von seinem sekundären Selbst auf Toris, dem vierten Planeten des fast fünfzig Lichtjahre entfernten Funari-Systems. Im dortigen Forschungszentrum hatten drei Tal-Telassi die Mitarbeit am Brainstorm-Projekt verweigert. Der Projektleiter erbat neue Anweisungen, und Tubonds sekundäre Präsenz gab sie sofort: Erzwingen Sie die Kooperation der Tal-Telassi mit allen Mitteln.
Das primäre Selbst des Hegemons nahm Kenntnis davon, ohne dass sein Blick Elonora verließ.
»Sie haben von Unmut bei den Schwestern gesprochen«, sagte er ruhig. Kom-Servi verstärkten seine Stimme, damit ihn alle hörten. »Was genau meinen Sie damit?«
Elonora sah ihn an, über eine Entfernung von fast dreißig Metern hinweg, aber trotzdem spürte Tubond die Intensität ihres Blickes.
»Die Orthodoxen unter den Tal-Telassi haben nach dem zweiten März 1124 stark an Einfluss verloren«, sagte die Meisterin. »Die Bürde der Schuld lastete auf ihnen. So sahen es jedenfalls die Innovatoren und Insurgenten. Aber inzwischen fühlen sich auch viele andere Schwestern angeklagt, und das empfinden sie als ungerecht. Sie sind zu Bürgern zweiter Klasse geworden. Besonders schlimm ist die Situation auf Millennia.«
»Schlimm?«, fragte Tubond. Biotelemetrische Sensoren registrierten die individuellen Reaktionen der Okomm-Mitglieder auf den Wortwechsel – eine gewisse Anspannung breitete sich aus.
»Eine Mehrheit der Tal-Telassi hält die militärische Präsenz und allgegenwärtige Überwachung auf Millennia inzwischen für unerträglich, Hegemon«, sagte Elonora. »Die Orthodoxen gewinnen immer mehr Anhänger. Zu ihnen zählt inzwischen auch Dominique, die Tochter von Loana Destri und Dominik. Sie mag noch sehr jung sein, aber sie ist hochbegabt, und ihre Stimme hat Gewicht.«
Dominique , dachte Tubond. »Mit anderen Worten …?«
»Mit anderen Worten: Wenn sich die Situation weiter so entwickelt wie bisher, könnte es auf Millennia und bei den Kolonien der Tal-Telassi zu einem Aufstand kommen.«
Tubond beugte sich vor und fühlte den virtuellen Körper seines zweiten primären Selbst so deutlich, als wäre er real. »Soll das eine Drohung sein, Ehrenwerte?«
Elonora ließ sich von diesen Worten nicht beeindrucken. »Sie sind klug genug, um zu wissen, dass es mir nicht um irgendwelche Drohungen geht. Und ich bin klug genug, um die rhetorische Bedeutung Ihrer Worte zu erkennen. Ich schlage vor, wir verzichten auf solche Spielereien. Die Situation ist ernst genug. Meine Hinweise sind keine Drohung, sondern eine Warnung. Die Situation könnte ein Stadium erreichen, in dem sie unkontrollierbar wird.«
»Was schlagen Sie vor?«, fragte ein menschlicher Impro.
»Verhandlungen«, antwortete Elonora. »Solange sie noch möglich sind. Geben Sie den Tal-Telassi, ihrer Heimatwelt Millennia und den Kolonien die Autonomie zurück. Ich werde mich dafür einsetzen, dass der Orden alle notwendigen Vereinbarungen mit Oberkommando und Zentralrat schließt. Ich bin sicher, wir …«
Ein Datenstrom überlagerte alle anderen und verlangte absolute, ungeteilte Aufmerksamkeit. Tubonds Fokus kehrte zu seinem ersten primären Selbst zurück, das noch immer dem Waffenschmied Bergon Gesellschaft leistete.
Ein Feuervogel schwebte vor dem Glühen der untergehenden Sonne, ätherisch schön und Bote einer dunklen Gefahr. Langsam schlug er mit den breiten, flammenden Schwingen, ging tiefer, erreichte die höchsten Türme der weiten
Weitere Kostenlose Bücher