Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
Haupteingang, dann auf den Militärgouverneur.
»Hiermit bitte ich die Votanten, eine Entscheidung zu treffen«, sagte Zara.
Katyma zögerte kurz, bevor sie sich setzte – offenbar begriff sie, dass weitere Einwände keinen Sinn hatten. Ähnlich erging es Joras Ebanar. Zwar hatte Dominique erneut gegen das Konkordat verstoßen und einen Illegalitätsalarm ausgelöst, aber der Militärgouverneur schwieg, um nicht ausgerechnet hier, im Plenum, den Eindruck zu erwecken, sich in die Angelegenheiten der Tal-Telassi einzumischen.
Votationslichter stiegen von den Plätzen der Schwestern auf, vereinten sich vor den Emporen zu glitzernden Schwärmen und schwebten dann in die Mitte des Saals. Sie verharrten nicht weit von der Leviplattform entfernt und formten dort eine etwa zwei Meter dicke Kugel. Sie rotierte langsam und schimmerte dabei in allen Farben des Spektrums, bevor sie eine rote Tönung gewann. Das Rot verdrängte alle anderen Farben und wurde so dunkel wie Blut – die Farbe der Zustimmung.
Fast hundertfünfzig Tal-Telassi standen respektvoll auf, als Zara sagte: »Ich begrüße Dominique 1 als Meisterin der ehrenwerten Schwestern.«
Dominique sah triumphierend zur Ehrenloge und stellte enttäuscht fest, dass dort nur noch die Observanten und Soldaten standen. Ihre Mutter und der Militärgouverneur Joras Ebanar waren gegangen.
Interludium 4
7. März 1147 ÄdeF
Kaither fühlte sich seltsam, als er durch die Stadt wanderte, die um ihn herum wuchs und sich veränderte. Manchmal regte sich vager Schmerz in ihm, der das Echo einer größeren, fremden Qual zu sein schien.
Hinzu kamen sonderbare Phasen der Verwirrung, wenn das eigene Selbst, das eigene Denken und Empfinden für Dinge benutzt wurden, die sich seiner Kontrolle und Kenntnis entzogen.
Nicht zum ersten Mal fragte sich Kaither, wie weit er wirklich noch Herr seiner Gedanken und Gefühle war.
Er blieb stehen, als erneut der Schwarm aufstieg. Die Bewohner der Stadt – Geschöpfe, wie sie unterschiedlicher kaum sein konnten, klein und groß, grau und bunt, ausgestattet mit Armen und Pseudopodien, und alle mit Flügeln – surrten aus ihren Häusern und schwirrten einem Himmel entgegen, an dem sich wieder erste Wolken zeigten. Kaither sah ihnen nach, allein und doch Teil eines großen Ganzen, und fragte sich nach dem Sinn. Und dann fragte er sich, ob diese Frage wirklich von ihm stammte.
»Die Frage existiert seit dem Erwachen der ersten Intelligenz«, erklang eine Stimme in der leer gewordenen, doch immer noch weiter wachsenden Stadt.
Kaither drehte den Kopf und sah Hendrik. Er präsentierte sich erneut als alter, weiser Mann, stand dort zwischen zwei schiefen, knirschenden Gebäuden und stützte sich auf einen Gehstock.
»Was ist mit mir?«, fragte Kaither und beobachtete den Tanz des Schwarms am Himmel. »Existiere ich tatsächlich noch? Oder bin ich nur eine … Erinnerung?«
»Kann sich eine Erinnerung an sich selbst erinnern?«, erwiderte der Kognitor.
Kaither seufzte. Manchmal fand Hendrik Gefallen an solchen verbalen Spielereien. Aber diesmal wollte er sich nicht auf so etwas einlassen; es war ihm zu ernst. »Ich erinnere mich an meinen Tod. Damals, an Bord der … Demetreo. Ja, so hieß das Schiff. Damals ging mein Leben zu Ende, und doch bin ich hier.« Er betastete seinen Leib, als wollte er sich davon überzeugen, dass er noch zu existierte. »Wie kann ich hier sein? Bitte erklär es mir, Hendrik.«
»Es ist dir sehr wichtig, nicht wahr?«
»Ja.«
Der Alte straffte die Schultern, schien dabei ein wenig jünger zu werden. »Na schön«, sagte er, und ein seltsames Licht glühte in seinen Augen. »Komm, ich zeige es dir.«
Er streckte die freie Hand aus, und Kaither ergriff sie.
Die Stadt verschwand. Kaither schwebte plötzlich in einem riesigen, schier endlosen Gespinst aus dünnen, spinnwebartigen Fäden: eine graue Welt mit vielen feucht glänzenden Gewebemassen zwischen den Fäden, mit pulsierenden Verdickungen und hunderten, tausenden von kleinen Blitzen, die unermüdlich durch das Grau huschten. Kaither flog, aber offenbar hatte er zumindest an diesem Ort keine Substanz; er berührte nichts, und nichts berührte ihn.
Als er an den Gewebemassen vorbeischwebte, sah er Gestalten darin, so unterschiedlich wie die Bewohner der Stadt, und eine dieser Gestalten …
Er sah sich selbst, wie eingesponnen in einen Kokon, durch mehrere Dutzend Fäden mit anderen Massen verbunden: der Körper noch immer erhalten nach all den
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