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Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Titel: Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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ähnliche Informationen erhalten wie Tamara bei ihrem Kontakt mit Zara 21. Der Fremde, den die Zäiden jetzt fortbrachten, um ihn zu untersuchen und zu behandeln, durfte nicht allein den Maschinenzivilisationen überlassen bleiben. Erasmus war mit seinem Versprechen eine Verpflichtung eingegangen, und die bisherigen Erfahrungen mit ihm ließen vermuten, dass er sein Wort halten würde. Aber was auch immer während der nächsten Tage geschah: Tamara wollte eigene Untersuchungen anstellen, und sie vermutete, dass auch Zacharias entsprechende Pläne hatte.
    In Adrian Hokonna sah Tamara kaum mehr als einen Statisten. Sie wusste nicht, warum Zacharias ihn mitgenommen hatte; einen Sekretär oder Adjutanten brauchte er gewiss nicht. Doch sie bezweifelte, das der alte Soldat bei den kommenden Ereignissen eine entscheidende Rolle spielen würde. Sein Gesicht – die eine Seite grau und wie tot, die andere bestand aus Metall und Polymeren – blieb ausdruckslos, aber die blaugrauen Augen verrieten Faszination. Ihr Blick klebte praktisch an Erasmus fest.
    »Sie haben sich verändert«, sagte Tamara und musterte den Zäiden. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass die Sterne jenseits des Fensters in scheinbare Bewegung gerieten: Der Transporter beschleunigte.
    »Wir alle verändern uns, Ehrenwerte«, erwiderte der Silberne. »Die einen schneller, die anderen langsamer. Nichts bleibt statisch. Veränderung ist die Antriebskraft des Universums.«
    »Das klingt sehr philosophisch.«
    »Zu philosophisch für einen Emm-Zett, meinen Sie?« Im simulierten Gesicht der glänzenden Gestalt erschien ein verblüffend natürlich wirkendes Lächeln.
    Simulationen , dachte Tamara. Alles ist simuliert. Erneut sah sie sich mit der Frage konfrontiert, über die sie seit ihren Kontakten mit den Maschinenzivilisationen und insbesondere mit Erasmus so oft nachgedacht hatte. Wenn sich simulierte Realität nicht von »wahrer« Realität unterschied – gab es dann noch einen Unterschied? Was ist mit unserer eigenen Wirklichkeit, wenn Simulation und Realität gleichbedeutend sind?
    »Eigene Meinungen sind das Recht des Individuums«, sagte Tamara unverbindlich. »Mögen sie richtig oder falsch sein.«
    »Sie beanspruchen für die biologische Intelligenz das Recht, sich zu irren«, erwiderte Erasmus ruhig. »Gleichzeitig halten Sie sich für überlegen. Wie kann die Fähigkeit oder das Recht zum Irrtum Überlegenheit bedeuten?«
    Tamara erkannte die rhetorische Falle und bemerkte auch den warnenden Blick, den Zacharias ihr zuwarf. Seien Sie diplomatisch! , riefen seine Augen. Es steht zu viel auf dem Spiel.
    Sie gewann ein wenig Zeit, indem sie zum dritten Sessel ging und Platz nahm. Die silberne Gestalt blieb stehen, in einem Raum ohne Konsolen oder Kontrollen. Wie Erasmus das kleine Schiff steuerte – wenn er es steuerte –, blieb sein Geheimnis. Boden, Wände und Decke bestanden aus grauschwarzem Material, und Tamara war sicher, dass es jede beliebige Struktur annehmen konnte. Die gegenwärtige Form war vermutlich ein Zugeständnis an die Empfindsamkeit der drei organischen Passagiere, Hokonna eingeschlossen.
    Tamara lehnte sich im Sessel zurück und presste die Fingerspitzen aneinander. »Bei wacher Intelligenz bieten Irrtümer die Möglichkeit zu lernen, neue Erfahrungen zu sammeln und zu wachsen. Sie haben es selbst gesagt, Erasmus: Veränderung ist die Antriebskraft des Universums. Wir machen Fehler, lernen aus ihnen und verändern uns dadurch.«
    Erasmus lächelte erneut. »Sie weichen meiner Frage aus, Ehrenwerte. Mit Rücksicht auf Ihre Mission?«
    »Versuchen Sie, mir eine emotionale Reaktion zu entlocken?«
    Die silberne Gestalt schmunzelte weiterhin und schwieg.
    »Was sind Sie jetzt, Erasmus?«, fragte Tamara schließlich, als es eine Weile still geblieben war. »Ich nehme an, wir sehen das Ergebnis einer neuen Entwicklung.«
    »Ja. Ich bin mehr, als ich vorher war. Wir alle werden mehr.« Erasmus trat ein wenig zur Seite, und dabei trug sein wie aus Quecksilber geformtes Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck. »Auch wir wachsen, Ehrenwerte. Sogar schneller als Sie.«
    »Bedeutet Wachstum in diesem Fall ein Mehr an Individualität?«
    »Eine interessante Frage. Die Antwort lautet: in gewisser Weise.«
    Tamara musterte die glänzende Gestalt. Wenn Erasmus still stand, wenn er sich nicht bewegte, sah er aus wie die aus Silber geschaffene Statue eines Menschen, dargestellt mit dem Sinn der alten Griechen für Ästhetik und Proportion.

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