Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)
wir den Vitäen in den Dimensionstunnel folgen könnten, zu einer Welt der Graken … Es wäre eine Möglichkeit, den Spieß umzudrehen.«
Die Offiziere am Tisch wechselten Blicke.
»Bemerkenswert«, sagte einer von ihnen.
Nektar blinzelte und schien sich erst jetzt der Präsenz der anderen bewusst zu werden. Die meisten der Offiziere bekleideten einen wesentlich höheren Rang als er, und er hatte sich schon gefragt, warum er zu dieser Besprechung eingeladen worden war. Außerdem saßen auch zwei Personen am Tisch, die streng genommen nicht zum Militär gehörten: Benjamin Tolosa, der versuchte, die immer knapper werdenden Ressourcen der Koalition zu verwalten; und ein betagter Wissenschaftler namens Soren Horendahl.
Vantoga, Prior im Oberkommando der Streitkräfte, breitete kurz seine metallisch glänzenden Flügel aus und faltete sie dann wieder zusammen. »Sie sind ein erfolgreicher junger Mann, Keil Nektar«, zirpte der Quinqu. »Inzwischen haben Sie zahlreiche gefährliche Einsätze hinter sich und nicht nur fast alle erfolgreich beendet, sondern auch mit geringen Verlusten. Sie genießen einen guten Ruf bei den Streitkräften, und die von Ihnen geführten Soldaten vertrauen Ihnen. Sie haben ein Gefühl für Strategie und Taktik, und mir scheint, hinzu kommt eine recht zuverlässige Intuition.«
»Intuition?«, wiederholte Nektar, der nicht ganz verstand.
Ein Lächeln erschien im puppenhaften Gesicht des Quinqu. »Wir planen einen Vorstoß von der Art, wie Sie ihn eben beschrieben haben. Soren Horendahl und seine Gruppe sind bereits mit den wissenschaftlich-technischen Vorbereitungen beschäftigt. Sobald uns ein geeignetes Raumschiff und genug Diskontinuitätswaffen zur Verfügung stehen, holen wir zum Gegenschlag aus.«
Nektar verstand, in welche Richtung diese Worte zielten. »Ich würde gern an einer solchen Mission teilnehmen.«
»Es freut mich sehr, das von Ihnen zu hören«, sagte Vantoga. »Wir beabsichtigen nämlich, Ihnen die Leitung dieser Mission zu übertragen.«
10. Neue Horizonte
5.März 1229 ÄdeF
»Sie stören meinen Tod«, sagte Zara 20, letzte Großmeisterin der Tal-Telassi.
»Dafür entschuldige ich mich, Ehrenwerte«, erwiderte Tamara 14. »Die Umstände lassen mir keine Wahl.«
Die Frau auf der Todesliege seufzte. »Ich nehme an, es geht um den jüngsten Auftrag.«
»Ja.«
»Er gefällt Ihnen nicht.«
Tamara atmete tief durch. Die Elimination von Gefühlen bedeutete nicht, vor Unruhe geschützt zu sein, und die Unruhe in ihr kam einem kalten Sturm gleich, wie er hoch oben manchmal über die Gletscher von Millennia fegte. »Ich möchte Sie bitten, jemand anders zu beauftragen.«
Das Reinkarnationszimmer, in dem sie sich befanden, gehörte zum bionischen Komplex von Millennias Hauptstadt Empirion. Es waren bereits alle Vorbereitungen getroffen. Hochleistungsmneme klebten an Zaras kahl geschorenem Schädel und hatten damit begonnen, all das aufzunehmen, was sie als Person definierte, insbesondere Erinnerungen, chemisch codierte Erfahrungsmuster und die elektrischen Ströme von individuellen Denkstrukturen. Die synaptische Vernetzung des Gehirns musste exakt erfasst und kopiert werden, damit sie im neuen Körper reproduziert werden konnte. Der Klon stand bereit, reif und lebendig, ohne eigenes Ich, ein genetisches Duplikat der Frau auf der Todesliege, aber viel jünger. Ein schützendes, stabilisierendes und die Zellen stimulierendes Kraftfeld umgab ihn wie ein bläulich glühender Halo. Datenservi und tronische Systeme summten leise; die in Nährflüssigkeit schwimmenden und pulsierenden Reservemneme sahen aus wie klopfende Herzen. Dünne Bionenschläuche verbanden Klon und Original, glichen die Aktivität von Thalamus und Hypothalamus ab, um Schockreaktionen beim Bewusstseinstransfer vorzubeugen.
Es war eine vertraute Umgebung für Tamara, die in ihrem vierzehnten Leben bereits dreizehn Reinkarnationen hinter sich hatte und wusste, wie wichtig und intim diese letzten Minuten eines zu Ende gehenden Lebens waren.
Im Hintergrund des Zimmers standen zwei Tal-Telassi-Meisterinnen, die eine alt, die andere jung – sie repräsentierten Ende und Neuanfang. Ihren Gesichtern war natürlich nichts zu entnehmen, aber Tamara wusste, dass sie diesen Vorfall melden würden: Die Ruhe einer Sterbenden durfte nicht gestört werden. Doch Tamara konnte nicht anders.
Sie blickte auf die nackte Zara hinab, die in den letzten Jahren sehr gealtert war und nun greisenhaft wirkte.
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