Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
anderen Seite sind FDP -Politiker wie Guido Westerwelle glühende Fans der »Laffer-Kurve«. Was ist das nun wieder? Herr Laffer war ein amerikanischer Ökonom, der in den siebziger Jahren ein Modell entwickelte, mit dem er zeigte, dass niedrigere Steuersätze am Ende zu höheren Steuereinnahmen führen. Was zunächst paradox klingt, ist bei genauem Hinsehen durchaus einleuchtend: Wird dem privaten Wirtschaftssektor (Unternehmen und Verbraucher) zu viel Geld vom Staat weggenommen, dämpft das die wirtschaftliche Dynamik. Man hat ja weniger übrig zum Investieren oder Kaufen. Sehr hohe Steuersätze befördern außerdem Steuerflucht und Schwarzarbeit. Wenn der Staat also zu deftig zugreift, würgt er seine Wirtschaft ab, irgendwann sinken Unternehmensgewinne und Löhne, und schlussendlich nimmt der Staat weniger Steuern ein als vorher.
Das ist quasi wie in einem Geschäft: Sind die Preise zu hoch, kaufen die Leute weniger, der Umsatz sinkt. Es geht also immer darum, den »richtigen« Preis zu finden, und das gilt auch für den Staat: Er muss die »richtige« Steuerhöhe finden, die kann weder bei null noch bei 100 Prozent liegen. Laffer veranschaulichte das auf einer Kurve, bei der er Steuersätze zu Staatseinnahmen ins Verhältnis setzte. Bei manchen Steuern lässt sich das in der Praxis auch sehr gut beobachten, bei der Tabaksteuer etwa. Raucher sind zwar ziemlich hart im Nehmen (in der Ökonomie nennt man das »steuerunelastisch«); sie rauchen weiter, selbst wenn Zigaretten immer teurer werden. Irgendwann wird es dann aber auch den Rauchern zu viel. Sie weichen aus (kaufen zum Beispiel auf dem Schwarzmarkt), drehen selber oder rauchen tatsächlich weniger. 2005 musste der Bundesfinanzminister feststellen, dass die Einnahmen aus der Tabaksteuer gesunken waren, obwohl es vorher eine Steuererhöhung gegeben hatte.
Aus diesen Zusammenhängen nun aber abzuleiten, dass man Einkommensteuern oder Gewinnsteuern einfach munter senken kann und trotzdem genauso viel oder sogar mehr in der Staatskasse hat – das funktioniert auch wieder nicht. Der frühere US -Präsident Ronald Reagan war begeistert von der Laffer-Theorie und senkte Anfang der achtziger Jahre die Steuersätze drastisch. Musste dann aber erschreckt feststellen, dass die Steuereinnahmen ebenso drastisch einbrachen und er ein Finanzierungsproblem bekam. Die Wirkung von Steuersenkungen ist eben nicht so einfach vorherzusehen. Es kann zusätzliche konjunkturelle Faktoren geben; außerdem wirkt der Ankurbel-Effekt nur zum Teil und schon gar nicht sofort, sondern erst verzögert nach längerer Zeit. Und Zeit haben Politiker nun überhaupt nicht. Sie müssen ihre Staatsausgaben finanzieren, und wenn die Steuereinnahmen wegbrechen, bleibt nur eins: Ausgaben kürzen oder mehr Schulden machen.
Bei wem hat Deutschland Schulden – und wo liegt das Problem?
Etwa 2 Billionen Euro Schulden hat Deutschland. Gut 25000 Euro pro Kopf, inklusive Rentner und Babys. Bundesfinanzminister Karl Schiller trat 1972 wegen zwei Milliarden Euro Neuverschuldung zurück. Heute sind mehrere hundert Euro neue Schulden pro Sekunde (!) ganz normal.
Letztlich ist es bei Staaten wie bei Privatpersonen: Sie machen Schulden, weil sie mehr ausgeben, als sie einnehmen. Und die Politik hat eine starke Tendenz, mehr auszugeben, als sie einnimmt. Die Gründe liegen auf der Hand: Mit Steuererhöhungen macht man sich beim Wähler unbeliebt, mit Geldzuwendungen hingegen beliebt. Ein sehr einfacher Zusammenhang, der genau so immer wieder wirkt, selbst wenn der Staat noch viele andere gute oder weniger gute Gründe hat, Geld auszugeben – aber am Ende geht es darum, wie die Bürger sich fühlen, wie zufrieden sie sind. Die negativen Wirkungen einer strengen Sparpolitik sind direkt fühlbar. Das kann man aktuell sehr krass in den (süd-)europäischen Krisenländern beobachten. Die negativen Folgen der Staatsverschuldung hingegen wirken indirekt und zeitversetzt.
Einen Großteil seiner Schulden macht Deutschland bei den eigenen Bürgern. Denen bietet der Staat »Bundesschatzbriefe« und »Kommunalobligationen« an, die ähnlich funktionieren wie ein Sparbuch. Man gibt der Bank Geld, kassiert Zinsen und kriegt nach einer bestimmten Zeit sein Geld wieder zurück. Problem dabei: Wenn der Staat die alten Bundesschatzbriefe auszahlen muss, ist das geliehene Geld längst ausgegeben. Was tun? Neues Geld borgen, mit dem man das alte zurückzahlt! Mittlerweile sind so hohe Schulden aufgelaufen, dass die
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