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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Mitarbeiter plötzlich streiken. Wenn man sich aber mit der Gewerkschaft geeinigt hat, dann herrscht zumindest so lange Ruhe für alle Beteiligten, bis ein neuer Tarifvertrag ausgehandelt wird.
    Wenn Tarifverträge neu verhandelt werden, kommt es manchmal zu Arbeitsniederlegungen (Streiks), weil die Gewerkschaften zeigen müssen, wie wichtig ihre Mitglieder für eine Firma sind. Das ist aber geplant und kommt nicht plötzlich von einem Tag auf den anderen. Die Arbeitgeber können sich ein bisschen darauf einstellen. Die streikenden Arbeitnehmer bekommen als Gewerkschaftsmitglieder weiter ihr Gehalt, auch wenn sie nicht arbeiten. Dafür gibt es die »Streikkasse«. Ohne die könnten viele Arbeitnehmer es sich gar nicht leisten, ihre Interessen wirkungsvoll zu vertreten.
    Sozialdemokraten und Gewerkschaften sind traditionell eng mitein ander vernetzt. Auch Die Linke sieht sich als »Arbeiterpartei«. Gewerkschaften vertreten aber auch die Job-Interessen von Leuten, die ansonsten politisch nicht engagiert sind. Ein weiterer wichtiger Unterschied zu den Parteien: Die Gewerkschaftsmitglieder arbeiten in der Firma, von der sie Änderungen verlangen. Sie haben daher ein ureigenes Interesse daran, eine tragfähige Lösung zu finden. Denn nur wenn es ihrem Arbeitgeber weiterhin gut geht, können die gewünschten Lohnerhöhungen auch ausgezahlt werden. Die Ziele von Arbeitnehmervertretern sind meist konkreter als die Pläne von Parteistrategen.
    Beamte dürfen sich organisieren, aber nicht streiken
    Deswegen gibt es auch für jedes Berufsfeld einen eigenen Verband. Schließlich haben die Arbeiter der Metallindustrie ganz andere Probleme als Briefträger, Piloten, Köche oder Kellner. Viele Gewerkschaften sind Mitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund ( DGB ), der sich als Dachverband grundsätzlich für Arbeitnehmer einsetzt. Die beiden größten Einzelgewerkschaften innerhalb des DGB sind die Industriegewerkschaft IG -Metall und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Bei Verdi sind auch Angestellte und Beamte des öffentlichen Dienstes organisiert. Ihr Arbeitgeber ist der Staat, zum Beispiel in den Kommunen. Auch Beamte haben das Recht, sich zu organisieren, sie dürfen allerdings nicht streiken. Für die Mitarbeiter des Staates gibt es neben Verdi auch noch den Deutschen Beamtenbund mit zahlreichen Einzelgewerkschaften, wie etwa der Polizeigewerkschaft.
    In den vergangenen zwanzig Jahren haben die Gewerkschaften insgesamt stark an Mitgliedern verloren, nur etwa ein Viertel der Arbeitnehmer ist heute noch gewerkschaftlich organisiert. Allerdings profitieren auch Nicht-Mitglieder von den ausgehandelten Tarifverträgen, insofern sind viele Arbeitnehmer Trittbrettfahrer, ohne selbst Mitgliedsbeiträge zu zahlen. Eine Schwächung befürchten die großen Gewerkschaften auch dadurch, dass das Bundesarbeitsgericht 2010 die sogenannte Tarifeinheit aufgehoben hat. Das bis dahin gültige Prinzip »Ein Betrieb – ein Tarif« war damit ausgehebelt. Einzelgewerkschaften, in denen bestimmte Berufsgruppen organisiert sind, gewinnen deshalb an Macht. Beispiele für solche schlagkräftigen Kleingewerkschaften sind die Vertretungen der Piloten oder Lokführer. In seltener Einhelligkeit warnten der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Arbeitgeberverbände angesichts dieser Veränderung vor einer Streikwelle, die auf Deutschland zurollen würde. Kunden der Lufthansa werden tatsächlich das Gefühl haben, dass mehr gestreikt wird als früher, zumal sie plötzlich lauter neue Berufe kennenlernen: Vorfeldmitarbeiter etwa, die ihren eigenen Arbeitskampf betreiben, genau wie Kabinenpersonal, Bodenpersonal und Piloten – und alle streiken auch noch abwechselnd. Insgesamt ist die Zahl der Streiktage pro deutschem Arbeitnehmer aber bisher nicht bedrohlich gestiegen. Und wenn große Unternehmen wie die Lufthansa oder die Bahn vor einer Spaltung ihrer Belegschaft warnen, muss man auf einen wichtigen Sachverhalt hinweisen: Sie selbst waren es, die lauter neue Tochtergesellschaften gründeten, um Mitarbeiter unterschiedlich entlohnen zu können. Die Zersplitterung der Tariflandschaft ist insofern auch von Arbeitgeberseite betrieben worden.
    Löhne und Mindestlöhne – wie verdient man, was man verdient?
    Ein großes Problem ist, dass es immer mehr Bereiche gibt, in denen gar keine Tarifverträge gelten. Viele Arbeitgeber haben sich eben doch aus der Tarifbindung verabschiedet – also gibt es in diesen Unternehmen auch keine Lohnuntergrenzen mehr. Deshalb

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