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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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extrem beliebt in der Bevölkerung. Der aktuelle Außenminister Guido Westerwelle ist eine Ausnahme. Der Sprung von der »niederen« Politik in die »hohe« Diplomatie ist ihm nicht so gut gelungen wie seinen Amtsvorgängern. Was nicht heißt, dass die anderen weniger »niedere« innenpolitische Politik betrieben hätten. Sie taten es allerdings versteckter. Was der beliebte Genscher hinter den Kulissen parteipolitisch so alles veranstaltet hat, bekam die breite Bevölkerung gar nicht mit. Und Joschka Fischer, der ehemalige jugendliche Steinewerfer, »Arschloch«-Rufer und Turnschuh-Minister mutierte in seinem formvollendeten Dreiteiler so derart perfekt zum Diplomaten mit Sorgenfalten und ausgeprägtem Fremdwortvokabular, dass er selbst seinen eigenen Parteifreunden unheimlich wurde. Westerwelle hat diesen Spagat zwischen der Parteipolitik und dem scheinbar parteifernen Amt als höchstem Diplomaten der Republik nicht geschafft, und dass ihn seine eigene Partei als Parteichef abservierte, half natürlich auch nicht. In der Regel läuft es aber anders: Das Amt des Außenministers ist ein Garant für sehr gute Popularitätswerte.
    Wie Angela Merkel zur »Miss World« wurde
    Die meisten Bundeskanzler waren auf ihre Außenminister gelegentlich ein bisschen neidisch, stahlen ihnen daher auch gerne mal die Show und haben im Laufe der Zeit immer mehr außenpolitische Kompetenzen ins Kanzleramt gezogen. Gerade bei der wichtigen Europapolitik. Helmut Kohl ließ es sich nicht nehmen, die Konditionen der deutschen Wiedervereinigung gegenüber Russland und anderen europäischen Partnern zu formulieren, ohne sich mit dem Außenministerium abzusprechen. Als Kanzler Schröder den Amerikanern mitteilte, dass er »für ein Abenteuer im Irak nicht zu haben sei«, hatte er das vorher nicht mit seinem Außenminister Fischer geklärt. Angela Merkel wiederum hatte ein Händchen dafür, zur »Miss World« aufzusteigen, während ihre Außenminister verblassten. Den ironisch gemeinten Titel »Miss World« bekam sie von Journalisten verliehen, nachdem sie für Deutschland eine ganze Reihe großer internationaler Gipfeltreffen veranstaltet hatte. Das ging eine Weile tatsächlich Schlag auf Schlag, und ständig war sie mit den Mächtigen dieser Welt zu sehen, und alle lobten sie als exzellente Gastgeberin. Merkel und ihre Berater sorgten auch für schöne Fernsehbilder: Für ein Gipfeltreffen an der deutschen Ostsee wurde zum Beispiel ein XXL -Strandkorb hergestellt, der so breit war, dass acht Staats- und Regierungschefs nebeneinander reinpassten. Das war natürlich hübsch und auch lustig, und das Bild wurde in der ganzen Welt gezeigt, alle lachten und sahen nach guter Laune und einem erfolgreichen Gipfeltreffen aus. Und wer saß zufrieden lächelnd in der Mitte? Eine Frau. Angela Merkel.
    In anderen politischen Ämtern ist es schwieriger, eine gute Figur zu machen. Vor allem in der Opposition gibt es nicht so viele schöne Bildertermine, bei denen man sich als »Macher« zeigen kann. Man »macht« ja eigentlich auch nichts, sondern meckert die meiste Zeit nur rum. Das ist wichtig in der Demokratie; doch damit Aufmerksamkeit zu erregen und gute Bilder zu produzieren, ist schwieriger, als wenn Kanzler Gummistiefel (oder festes Schuhwerk) anziehen und Flutopfer besuchen (wie im Juni 2013). Und Aufmerksamkeit ist das, was ein Politiker am dringendsten braucht. Man muss »wahrgenommen« werden. Aber die Wahrnehmung durchs Fernsehen kann sehr verzerrt sein. Denn viele Bilder werden inszeniert. Sehr wichtig ist zum Beispiel der Hintergrund, vor dem ein Politiker spricht. Als der schwarze US -Präsidentschaftskandidat Barack Obama bei seinen Wahlkampfauftritten Ansprachen hielt, standen hinter ihm immer viele weiße Fans und applaudierten. Zufall? Wohl kaum. Sein Wahlkampfteam hatte alle Beteiligten entsprechend angeordnet. Die Bildbotschaft lautet: Obama ist zwar schwarz, aber auch die Weißen finden ihn gut. Das ist wichtig in einem Land, in dem es nach wie vor viele Vorurteile wegen der Hautfarbe gibt.
    Die Amerikaner sind eh federführend, wenn es um Showeffekte in der Politik geht. Kein Wunder. Sie sind ja auch federführend bei Kino und Fernsehserien. Amüsant fand ich im Frühsommer 2013, den Besuch des frisch gekürten neuen US -Außenministers John Kerry in Berlin zu beobachten. Dass er lang und breit erzählte, wie er seine Kindheit als Sohn eines US -Botschafters im Berlin der Nachkriegszeit erlebt hat und auch ein paar Sätze in Deutsch

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