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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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wie sie gerne hätte.
    Warum ist ausgerechnet Brüssel die Hauptstadt Europas?
    Eine offizielle »Hauptstadt« Europas gibt es nicht, weil es ja gar keinen Europastaat gibt. Dennoch sagt man oft, »Brüssel hat das so entschieden«, wenn die Europapolitik gemeint ist. Genauso wie »Berlin« eben für die Bundespolitik steht. Allerdings kommen viele wichtige Entscheidungen auch aus Straßburg, denn dort sitzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte – hier kann sich im Grunde jeder Bürger über alles beschweren, was ihm nicht passt. Jährlich werden über 40000 Klagen eingereicht. Und auch der Europarat hat hier seinen Hauptsitz.
    Die belgische Hauptstadt Brüssel jedoch ist Heimat der meisten EU -Gremien (Europäischer Rat, Europäische Kommission, Ministerrat, Ausschüsse des Europäischen Parlaments) und damit sozusagen die faktische Hauptstadt Europas. Dazu kam es eher zufällig. Denn niemand hatte einen besseren, mehrheitsfähigen Vorschlag.
    Entscheidend war wohl wieder mal der Proporz: Brüssel gehörte zu keinem der drei großen EU -Gründerstaaten Deutschland, Frankreich, Italien. Es war sozusagen neutraler als Paris, Rom oder damals noch Bonn. Außerdem war Brüssel mehrsprachig (Deutsch, Französisch, Niederländisch; außerdem Flämisch sowie regionale Dialekte) und lag schön mittig im damaligen Westeuropa. Ein wunderbarer Kompromiss also – typisch Europa. Typisch auch, dass einige Gremien woanders ihren Platz fanden, was wieder das Ergebnis politischer Proporz-Entscheidungen war. Dieser Verteilung konnten alle zustimmen, sie tut keinem zu sehr weh, und gibt jedem etwas – aber erkennbar sinnvoll ist sie nicht. Doch bevor man sich darüber mokiert, sollte man ein Experiment machen: Wie lange braucht eine Abteilung in einer beliebigen Firma oder Verwaltung von nur zehn Mitarbeitern, um beim internen Umzug in den Westflügel des Gebäudes die neuen Zimmer – vier auf jeder Seite des Flurs, davon je ein Zweierbüro – so zu planen, dass alle total zufrieden sind, jeder Einzelne der zehn?! Viel Spaß dabei … Schnell ahnt man, wie es bei den Europäischen Gipfeln zugeht und dass sich das Gestreite und Gemurkse nicht immer ganz verhindern lässt.
    Wer seinen EU -Frust loswerden will, kann das übrigens beim Europa-Ombudsmann, sogar online (www.ombudsman.europa.eu/home/de/default.htm) – ihm schreiben 20000 Menschen im Jahr! Deswegen hat der Beschwerdebeauftragte mehrere Mitarbeiter, die tatsächlich allen diesen Anfragen nachgehen.
    Konkrete Verbesserungsvorschläge werden ebenfalls gern genommen. Wie beim Bundestag kann man auch in Europa eine Petition einreichen, am einfachsten online ( www.europarl.europa.eu/aboutparliament/de/00533cec74/Petitions.html ).
    Der EU-Haushalt: Wie viel netto darf’s denn sein?
    Die EU kann keine eigenen Steuern erheben, sie finanziert sich hauptsächlich über ihre Mitgliedsbeiträge. Es gibt einen jährlichen Haushalt, der aber in einen siebenjährigen EU -Haushaltsplan eingebettet ist, und diesen Finanzplan legen die Staats- und Regierungschefs auf einem großen Haushaltsgipfel fest. Der geht üblicherweise mit besonders langen Verhandlungsnächten einher, denn dabei geht’s für jeden um die eigene Kasse, und beim Geld werden die nationalen Interessen natürlich besonders intensiv vertreten! Die Vorarbeit machen die Kommission und die Fachminister, aber wenn es dann ums Eingemachte geht, setzen sich die Chefs zusammen. Das EU -Parlament muss allerdings auch noch zustimmen – was schiefgehen kann. Im März 2013 hatten sich die Staats- und Regierungschefs in mühevoller Kleinarbeit und nach zähem Ringen auf den nächsten Finanzplan bis 2020 geeinigt. Das Parlament lehnte den schönen Plan aber ab, also musste neu verhandelt werden.
    Insgesamt ist für den Zeitrahmen von 2014 bis 2020 eine Gesamtsumme von höchstens 960 Milliarden Euro vorgesehen. Das klingt erst mal sehr viel. Pro Jahr sind es aber nur rund 140 Milliarden – »Peanuts« im Vergleich zu den nationalen Budgets. Der deutsche Bundeshaushalt etwa (und der bezieht sich ja nur auf den Bund – Bundesländer und Kommunen haben zusätzlich eigene Haushalte) betrug 2013 rund 300 Milliarden Euro. Also doppelt so viel wie der gesamte EU -Haushalt für 28 Staaten. Der deutsche Nettobeitrag zum EU -Haushalt beträgt rund neun Milliarden. Mit anderen Worten: So wahnsinnig teuer, wie gern behauptet, ist die EU -Mitgliedschaft gar nicht.
    Übrigens ist es auch nicht ganz richtig, wenn immer wieder gesagt

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