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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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werden. Bleibt die Frage: Warum Wahlversprechen geben, wenn man ahnt, dass man sie eh nicht einlösen kann, was am Ende wieder zu Frust und Empörung beim Wähler führt? Weil Politiker meinen, dass man Wahlversprechen braucht, um sich von anderen Parteien abzugrenzen. Und weil sie meinen, dass die Wähler von ihnen solche Versprechen erwarten. Damit liegen sie nicht ganz falsch. Politiker, die nichts versprechen oder sogar so ehrlich sind, Steuererhöhungen oder Sparmaßnahmen anzukündigen, haben damit in der Regel keinen großen Erfolg. Obwohl es durchaus schick geworden ist, zu behaupten, dass man »keine falschen Versprechungen machen will«. Doch ohne Versprechen geht es nicht. Das wäre ja ungefähr so, als würde ein Hotel für sich werben, indem es verkündet: »Unser Haus ist ganz nett, aber nichts Besonderes. Wir haben nur eine kleine Sauna. Dafür sind wir aber ziemlich preiswert.« Das wäre zwar ehrlich – aber wer würde da buchen? Urlauber wünschen sich keine kleine Sauna, sondern eine »Wellness-Oase«. Dass sie die für 30 Euro pro Nacht nicht kriegen, ist ihnen tief im Inneren zwar klar. Aber man bucht eben nicht nur nach Vernunft, sondern auch nach Gefühl und Hoffnung. Und deshalb lieber bei dem Hotel, das »Wellness« wenigstens verspricht, anstatt einem schon von vornherein alle Illusionen zu rauben.
    Wann sind Umfragen repräsentativ?
    Wenn Wahlen geheim stattfinden, wie sind dann die – manchmal erstaunlich genauen – Wahlprognosen möglich? Dafür fragt man eine bestimmte Anzahl von Wählern, die gerade auf dem Weg zum Wahllokal sind, wen sie gleich wählen werden. Nicht alle antworten, und nicht alle sind ehrlich; aber insgesamt machen doch immer wieder so viele mit, dass man ungefähr hochrechnen kann, wie das Wahlergebnis wohl aussehen wird. Die Prognose wird um Punkt 18.00 Uhr in der Wahlsendung verkündet, also erst in dem Moment, in dem die Wahllokale schließen und niemand mehr beeinflusst werden kann. Noch genauer als diese allein auf Umfragen beruhende erste Prognose sind die Hochrechnungen, die wenig später folgen. Dafür wurde dann bereits eine Stichprobe der tatsächlich abgegebenen Stimmen ausgewertet und das Ergebnis statistisch hochgerechnet.
    Doch Umfragen beeinflussen nicht nur Wähler (»Wenn die im Moment noch so wenig Stimmen haben, dann helfe ich und wähle FDP statt CDU «). Mindestens genauso beeinflussen Umfragen die Politiker. Je näher der Wahltermin rückt, desto mehr Meinungsforschungsinstitute führen Umfragen durch. Und nichts prägt die nächste Plakatwelle oder die bevorstehenden Reden und TV -Statements so sehr wie die aus den Umfragen herausinterpretierten Wählerwünsche.
    Befragt werden je etwa 1000 bis 2500 Personen, deren Antworten dann auf 62 Millionen Wahlbürger hochgerechnet werden. Deshalb ist es wichtig, dass man eine »repräsentative« Stichprobe hat, die genauso bunt gemischt ist wie das Volk selbst. Repräsentativ heißt also: »Auf der Grundlage einer zufällig ausgewählten Stichprobe, die groß genug ist, um sich hochrechnen zu lassen.« Diese Zufälligkeit entsteht, indem aus allen deutschen Telefonnummern nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wird; ungefähr so, als würde man mit geschlossenen Augen in eine Lostrommel greifen. Allerdings gibt es bei allen Umfragen ein paar Unsicherheitsfaktoren:
Eine optimal angelegte Umfrage kann mit einer mathematischen Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent das Wahlergebnis auf zwei Prozentpunkte rauf oder runter genau vorhersagen. Das heißt, das tatsächliche Ergebnis der Partei kann am Ende zum Beispiel irgendwo zwischen 38 und 42 Prozent liegen. Verkleinern kann man diese »Fehlertoleranz« nur durch mehr Teilnehmer – aber um den statistischen Fehler zu halbieren , müsste man die Zahl der Befragten ver vier fachen. So ist das leider mit der Mathematik.
Befragte lügen: Vor allem Wähler von extremen Parteien am Rand des rechten und linken Spektrums geben ihre politische Präferenz ungern offen zu. Ähnlich ist es bei anderen Themen. In Umfragen erklären drei Viertel aller Deutschen, dass sie im TV am liebsten Nachrichten und Dokumentationen sehen und nach dem Tod natürlich gern ihre Organe spenden. Alles politisch sehr korrekt – aber die Realität sieht etwas anders aus …
Bei Telefonbefragungen antwortet oft der »Haushaltsvorstand« (meist der Vater); dies ist nicht repräsentativ, denn diese Personen neigen mehr als der Rest der Bevölkerung zur CDU , sodass deren mögliches Wahlergebnis

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