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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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natürlich internationale Gipfeltreffen, die ziehen sich oft ins Wochenende hinein. Häufig sind das Reisen durch unterschiedliche Zeitzonen. Während des langen Flugs werden Akten studiert und das jeweilige Treffen (zum Beispiel mit dem US -Präsidenten) besprochen und vorbereitet. Wenn die Kanzlerin dann aus dem Flieger springt, kann sie sich nicht erst mal im Hotel aufs Ohr hauen und den Jetlag überwinden, sondern muss sofort hellwach sein und wichtige Gespräche führen. Und dabei möglichst auch noch frisch aussehen. Das gelingt nicht immer – dunkle Augenringe gehören bei jedem Kanzlergesicht dazu. Wenn Angela Merkel nicht im Ausland unterwegs ist, sondern in Deutschland, fährt oder fliegt sie immer zurück nach Berlin, selbst wenn es spätnachts wird. Lieber schläft sie nur wenige Stunden, aber dann wenigstens zu Hause in ihrem eigenen Bett. So versucht sie, ein bisschen private Normalität in ihrem Leben zu bewahren.
    Wegweiser für Staatsgäste und Tischordnung im Kabinett
    Zu den regelmäßigen Aufgaben als Kanzler gehört der Empfang von Staatsgästen. Dabei gibt es genau vorgeschriebene Rituale, wer wo auf dem roten Teppich steht und wie man eine Militärformation abschreitet, wenn man jemanden »mit militärischen Ehren« empfängt. Wahrscheinlich finden Kanzler und Staatsgäste das selbst ein bisschen lästig, aber es gehört halt dazu. Da jedes Land ein eigenes Zeremoniell hat, muss die Kanzlerin aufpassen, dass sie und ihre Gäste nichts Falsches machen. Einer ihrer ersten Gäste als neue Kanzlerin war der Ministerpräsident von Singapur. Und der lief prompt an der deutschen Fahne vorbei, weil er nicht wusste, dass er dort eigentlich stehen bleiben sollte. Angela Merkel musste ihn hastig einholen, was im Fernsehen sehr lustig aussah. Seitdem geht sie immer ein bisschen schneller als ihre Gäste und zeigt ihnen so den Weg. Worauf man alles achten muss!
    Jeden Mittwoch ist Kabinettssitzung. Vorher treffen sich die Kanzler mit ihrem Vizekanzler, derzeit also Philipp Rösler von der FDP . Auch Merkels Vorgänger Gerhard Schröder traf sich immer vorab mit Joschka Fischer von den Grünen, der damals sein Stellvertreter war. Das ist wichtig: Man kann ja nicht nur so vor sich hin regieren, sondern muss sich mit der eigenen Partei und dem Koalitionspartner abstimmen. Die Inhalte dieser Treffen unter vier Augen sind vertraulich. Nicht weniger wichtig sind die Treffen mit den Fraktionschefs, die den Kanzlern einen Eindruck davon vermitteln, wie die Stimmung in der eigenen Fraktion ist.
    Ob eigene Partei oder Koalitionspartner: Man spricht sich sinnvollerweise ab, bevor man in die große Runde geht. Denn was am Kabinettstisch besprochen wird, bleibt fast nie geheim. Irgendwer tratscht immer, also erwähnt man dort besser nichts allzu Heikles. Am Kabinettstisch sitzen alle Minister und der Kanzler im Kreis. Früher hatte der Kanzler einen etwas größeren Stuhl, das hat Gerhard Schröder abgeschafft. Angela Merkel kann mit Hilfe einer Klingel notfalls für Ruhe sorgen, aber in der Regel genügt ein strafender Blick, wenn zum Beispiel zwei Minister miteinander tuscheln, während sie redet. Bevor die Runde anfängt zu tagen, dürfen Fernsehkameras und Fotografen filmen. Das ist für alle Anwesenden eine wunderbare Gelegenheit, sich zu präsentieren. Man plaudert zum Beispiel betont angeregt mit einem Kollegen, mit dem man angeblich gerade Streit hat, um Harmonie zu demonstrieren. Da werden eifrig Hände geschüttelt oder Wangenküsse ausgetauscht. Zufall ist hier nichts. Und wenn die erfahrene Arbeitsministerin Ursula von der Leyen der frischgebackenen jungen Familienministerin Kristina Schröder mütterlich-überlegen die Schulter tätschelt, tut sie das auch nicht nur so. Nichts geschieht zufällig, wenn Kameras laufen!
    Natürlich müssen Kanzler auch ordentlich essen. Das tun sie aber nie allein. Mittagessen werden in der Regel genutzt, um Gäste zu empfangen. Insofern kann ein Kanzler nie schweigend Kartoffelbrei in sich hineinschaufeln, sondern muss während der Mahlzeit weiter Politik machen und reden. Gegessen wird gerne im »Kanzlerwohnzimmer«, so heißt dieser Raum im Kanzleramt. Wer dorthin eingeladen wird, darf sich wichtig fühlen. Die Kanzlerwohnung ganz oben im achten Stock ist über eine versteckte Treppe direkt mit dem Kanzlerbüro eine Etage darunter verbunden. Eine Art Maisonette sozusagen. Über das Büro lässt sich dreierlei sagen: sehr groß, Riesenschreibtisch und tolle Aussicht.

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