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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Arbeit am Tag sind normal, damit kommt man locker auf eine 90- bis 100-Stunden-Woche. Für Privatleben ist eigentlich nie Zeit. Selbst im Urlaub sind Kanzler im Dienst, und natürlich könnte ein Bundeskanzler niemals Ferien in Australien oder auf den Malediven machen, um mal richtig abzuschalten. Denn man darf es nie sehr weit haben zum Büro. Schließlich könnte es ja einen Ministerrücktritt geben, oder irgendwo bricht Krieg aus oder, oder … Deshalb bleiben Frau Merkel und ihr Mann in Europa und gehen in den Alpen wandern. Auch viele andere Spitzenpolitiker trauen sich nicht, weiter weg zu fahren. Mallorca, Toskana, Nordsee, Alpen. Das sind so die typischen Urlaubsgebiete für deutsche Politiker. Immer mit guter Flugverbindung nach Berlin. Schon verrückt: Man reist durch die halbe Welt, zu all den Staatsbesuchen und Gipfeln, aber eigentlich sieht man nichts. Man erlebt diese Länder nicht. Da ist es schon eine angenehme Abwechslung, wenn US -Präsident Bush Frau Merkel und ihren Mann auf seine Ferienfarm in Texas einlädt und ein Barbecue veranstaltet. Das ist wenigstens ein Hauch von »echtem« Amerika. Umgekehrt fand es Bill Clinton super, mit Kanzler Schröder in einem kleinen Lokal im Prenzlauer Berg zu speisen, in dem sich normale Menschen aufhalten. Natürlich sind das auch Inszenierungen, streng abgeschirmt von Bodyguards; aber man darf den Politikern schon glauben, dass sie es genießen, mal nicht nur in Konferenzräumen, Regierungspalästen, Limousinen und Flugzeugen zu hocken.
    Angela Merkel und ihr Mann urlauben manchmal auf Ischia, in einem ziemlich normalen Hotel, in dem dann natürlich der Ausnahmezustand herrscht. Auch Amtsvorgänger Schröder mochte Italien. Sein Vorgänger Helmut Kohl hingegen fuhr immer nur an den österreichischen Wolfgangsee, was selbst seiner Ehefrau Hannelore irgendwann nur noch furchtbar auf den Nerv ging. Aber mehr will man vielleicht auch gar nicht, wenn man sowieso schon dreißig aufwändige Auslandsreisen im Jahr absolviert. Da sind Flugzeuge und Hotels nicht mehr sehr attraktiv. Die deutschen Kanzler sind im Übrigen nicht so verwöhnt wie französische Präsidenten, die ein eigenes luxuriöses Domizil an der südfranzösischen Küste haben. Für die Sicherheitsbeamten wäre so ein festes Kanzler-Ferienhaus eine große Erleichterung. Und auch für die Kanzler ist es nicht angenehm, sogar im Urlaub von Fotografen »abgeschossen« zu werden: Frau Merkel im Badeanzug, Frau Merkel mit ihren (Stief-)Enkeln. Das will sie nicht, das kann man verstehen, und dass es trotzdem getan wird, ist ziemlich mies. Über dem Urlaubsdomizil von Kanzler Schröder flog sogar mal ein Ballon mit Kamera. Richtige Erholung kommt da nicht auf –dabei müsste es doch eigentlich im Interesse der Bürger liegen, dass ihre Regierungschefs hin und wieder mal richtig Kraft tanken können und völlig in Ruhe gelassen werden, und sei es nur für ein paar Tage. In diesem Punkt sind wir Deutschen aber nicht sehr großzügig. Eine feste Kanzler-Ferienvilla auf Sylt oder am Starnberger See würde wahrscheinlich für herbe Kritik sorgen.
    Und verdient man bei dem ganzen Stress wenigstens ordentlich? Ja und nein. Die Kanzlerin bekommt nach Angaben des Kanzleramts rund 20000 Euro monatlich. Davon zahlt sie natürlich Steuern. Wenn man das jetzt mal als Stundenlohn umrechnet, bei geschätzt 380 bis 400 Arbeitsstunden im Monat, kommt man auf einen Arbeitslohn von knapp 50 Euro (»brutto«, also vor Steuern!). Das ist zwar deutlich mehr als die 5 oder 15 Euro, die eine Friseurin oder ein Dachdecker verdient. Aber ein Fußballstar oder ein Top-Manager eines großen Konzerns kann über das Kanzlergehalt nur müde lächeln, da sind 250000 Euro brutto nur »Peanuts«. Auch wenn man die Abgeordnetenbezüge hinzurechnet (da kommt man dann auf 300000 im Jahr) und diverse »Extras« (kostenlose Verpflegung, Dienstwagen und Ähnliches), wird kein Spitzengehalt daraus. Dabei trägt ein Kanzler immerhin die Verantwortung für 80 Millionen Menschen, ist also auch ein Top-Manager! Mehr verdienen lässt sich nach der Amtszeit – mit hoch dotierten Vorträgen oder mit Lobbyisten-Jobs bei russischen Gaskonzernen.
    Über eines aber können Kanzler nie klagen: über Langeweile. Jeder Tag ist anders, und ständig steht man unter Strom. Wahrscheinlich kommen Kanzler deshalb auch mit so wenig Schlaf aus, weil sie immer in einer »Extremsituation« sind und einen erhöhten Adrenalinspiegel haben.
    Eine Frage des Vertrauens
    Die

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