Kap der Finsternis: Roman (German Edition)
Stimme seines Freundes. »Mein Gott, Donovan, das musst du dir ansehen!«
Donovan rutschte unter dem Wagen hervor. Als er aufstand und sich den Schweiß mit dem Handrücken aus den Augen wischte, konnte er kaum glauben, was er da sah. Gatsby, der Bulle, der seinen kleinen Bruder auf dem Gewissen hatte, lief halb nackt und blutend die Straße hoch. Ihm folgten Leute wie Pilotfische einem harpunierten Wal.
Donovan nahm einen Hammer von der Kühlerhaube des Autos und stellte sich Gatsby in den Weg. Der fette Mann sah ihn gar nicht, lief einfach geradeaus weiter. Donovan musste zur Seite ausweichen, andernfalls wäre er niedergewalzt worden. Donovan streckte ein Bein aus, und Gatsby stolperte, schwankte einen Moment und stürzte dann wie ein großes Tier in den Sand.
Donovan stand über ihm, den Hammer in der Hand. Er sah sich zu der sich vergrößernden Menschenmenge um und hörte ihre Stimmen wie eine einzige. »Tu es, Donovan.«
Er hob den Hammer und schlug ihn dem fetten Bullen mit aller Kraft auf den Schädel.
Carmen Fortune ging von dem Taxi zurück zu ihrer Wohnung. Sie fühlte sich immer noch benebelt, obwohl sie wusste, dass die Wirkung des Tik bereits nachließ. Sie wusste auch, dass sie sich mit der Schweinerei in ihrem Schlafzimmer auseinandersetzen musste. Aber sie hatte es gut gemacht. Zumindest dieses eine Mal hatte sie das Richtige getan.
Nachdem sie Onkel Fatty die Heilige Jungfrau auf den Kopf geschlagen hatte, hatte sie sich Matty geschnappt, den Jungen, ihm eins von Sheldons T-Shirts übergezogen und war mit ihm weggerannt. Sie war nicht stehen geblieben, um nachzudenken, bis sie mit dem blonden Jungen auf dem Schoß in einem Minibus-Taxi saß und auf die vorbeiziehenden Straßen von Paradise Park hinausschaute.
Das Kind war immer noch leicht benommen von dem Mogadon, ein Geschenk des Himmels. Sie hoffte nur, dass er sich nicht mehr an das erinnerte, was Onkel Fatty getan hatte. Sie wusste nur zu gut, dass sich solche Erinnerungen in das Bewusstsein einbrannten wie ein heißes Eisen ins Fleisch.
Sie ignorierte die Blicke und das Getuschel der übrigen Fahrgäste. Sie konnte sich denken, wie das aussehen musste, eine verprügelte farbige Tusse mit Blut auf dem T-Shirt und einem weißen Kind im Arm.
Scheiß drauf.
Sie streichelte das Haar des Jungen, und er blickte zu ihr auf und versuchte, sie klar zu erkennen. Dann fielen ihm wieder die Augen zu. Sheldons T-Shirt war ihm zu klein und es war ungewaschen, aber es war allemal besser als das Schlafanzugoberteil mit Onkel Fattys Gehirn drauf.
Sie wusste, dass sie den alten Mann umgebracht hatte, sein Kopf war wie ein Schwamm unter der heiligen Maria gewesen, ganz weich. Geschah dem alten Bastard recht. Während sie auf ihn eindrosch, kamen blitzartig Erinnerungen an ihre eigene Kindheit zurück, und einen Moment lang, wegen des Tik und all ihrer Wut, war sie sich nicht sicher, ob sie da auf Onkel Fatty einhämmerte oder auf ihr widerliches Arschloch von Vater.
Das Taxi hielt abrupt an, und die Fahrgäste drängelten sich nach draußen, während gleichzeitig andere versuchten einzusteigen. Sie schnappte sich den Jungen und kämpfte sich hinaus, vorbei an dem grinsenden Schaffner an der Tür.
»Man kann deutlich sehen, von wem der seine blauen Augen hat«, spottete er über ihre Blutergüsse.
Sie würdigte ihn keines Blickes, schwang sich Matt über die Schulter und ging hinüber zum Gemeindezentrum. Das Kind war alles andere als leicht. Er hatte schwere Knochen, der kleine Scheißer.
Sie bahnte sich ihren Weg durch den jämmerlichen menschlichen Bodensatz, der geduldig auf Krankenschwestern, Sozialarbeiter und staatliche Geldzahlungen wartete, bis sie vor der Tür von Belinda Titus’ Büro stand.
Sie klopfte einmal kurz und trat dann ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Belinda Titus saß hinter ihrem Schreibtisch, trug Lippenstift auf und bewunderte sich dabei in einem Taschenspiegel. Ihre frisch bemalten Lippen öffneten sich wie die Schenkel einer Nutte, als sie Carmen sah.
»Ich bitte Sie, Sie können hier doch nicht so einfach reinmarschieren!« Empört schraubte die Sozialarbeiterin ihren Lippenstift wieder ein, als würde sie Carmen den Hals umdrehen.
»Bin ich aber gerade«, sagte Carmen und setzte den Jungen auf einen Stuhl.
»Was soll das werden?«, fragte Belinda Titus streng. »Wer ist dieses Kind?«
»Er heißt Matt. Er ist Amerikaner. Ich glaube, er wurde entführt.« Carmen war schon wieder auf dem Weg hinaus. Sie blieb
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