Kap der Finsternis: Roman (German Edition)
Fingers, der mit offenem Mund dastand, während seine vernarbten Stümpfe in der Luft ruderten und die Daumen zuckten.
Benny Mongrel spürte das Messer in seiner Handfläche.
Keine Schusswaffe für Fingers.
Rudi Barnard befand sich in Zwiesprache mit den Toten. Er hörte ihre Stimmen, er sah ihre Gesichter. Sie riefen seinen Namen, hießen ihn, sich zu ihnen zu gesellen. Er kämpfte verzweifelter, als er in seinem ganzen Leben gekämpft hatte, kämpfte gegen den Sog, der ihn nach unten zog.
Das Donnern öffnete ihm die Augen, und er sah die Mischlinge vor sich, es explodierte rot aus ihren Schlünden. Sie streckten sich ihm entgegen, versuchten, ihn mitzureißen, damit auch er sich der Legion der Verdammten anschloss.
Barnard fand eine letzte Energiereserve. Er sprang vom Sofa auf und raste Hals über Kopf ans Wohnzimmerfenster, und in einer Explosion aus Blut, Glas und Fett platzte er hinaus in dieses helle, schreckliche Licht.
Stille. Burn begriff, dass die in dem engen Raum abgefeuerten Waffen ihn für einen Augenblick taub gemacht hatten.
Er sah, wie der fette Bulle vom Sofa aufsprang, durch die Scheibe flog und aus dem Blickfeld verschwand. Er sah, wie der Nachtwächter dem letzten Überlebenden des Trios die Beine wegtrat, der um Gnade zu beten schien, ohne dabei jedoch auf Finger zurückgreifen zu können. Er sah, wie die Klinge des Nachtwächters im Rückschwung einen Sonnenstrahl einfing.
»Moment.« Burn konnte seine eigene Stimme kaum hören. Er hielt die Mossberg wie eine Verlängerung seines Armes auf den Nachtwächter gerichtet. Die Klinge blieb in der Luft stehen.
Burn ging zu dem knienden, fingerlosen Mann und legte den Lauf der Mossberg seitlich an seinen Kopf. »Wo ist mein Sohn?«
Der Mann starrte ihn ausdruckslos an. Er schüttelte den Kopf. Burn holte aus und schlug dem Mann ins Gesicht, sah kleine Blutstropfen durch den Raum fliegen, bevor sie dann den schmutzigen Boden erreichten.
Er wollte zu einem weiteren Schlag ansetzen, als er die Hand des Nachtwächters auf seinem Arm spürte. »Er weiß nichts.«
Er sah den Nachtwächter an. »Was macht er dann hier?«
»Er ist gekommen, damit ich ihn töten kann. Alte Geschichten.«
Burn glaubte ihm. Aus irgendeinem Grund schien das eine absolut rationale und befriedigende Erklärung zu sein. Doch die Frage blieb: Wo war sein Sohn? Und der Mann, der die Antwort darauf wusste, hatte sich gerade eben durch ein geschlossenes Fenster katapultiert.
Burn rannte zur Tür.
Benny Mongrel sah Fingers Morkel in die Augen und spürte eine große Müdigkeit. Er konnte kaum noch das Messer halten. Aber er wusste, dass es noch etwas gab, das er tun musste.
Er hob Fingers’ Kinn, um den Hals zu entblößen, und ließ dann die Klinge über die Kehle gleiten.
»Benny Mongrel sagt Gute Nacht«, sagte er und ließ Fingers zu Boden sinken.
Dann entspannte er seine Hand und spürte, wie das Messer seinem Griff entglitt. Es landete mit der Klinge im Holzfußboden und federte noch eine Weile, bevor es schließlich zur Ruhe kam.
Aber da hatte Benny Mongrel den Raum bereits verlassen.
KAPITEL 30
Der fette Mann flog durchs Fenster und landete schwer auf dem Sand. Während er da auf dem Rücken lag, die wuchtige nackte Brust sich hob und senkte, segelte die Decke nieder und bedeckte ihn wie ein Leichentuch.
Die Leute auf der Straße und in den angrenzenden Häusern waren durch die Schießerei aufgeschreckt worden und kamen herbeigeeilt. Ein Raunen ging durch die Umstehenden, als die Decke sich bewegte und der Mann sich aufsetzte. Mühsam zog er sich auf die Füße hoch, und die Decke fiel zur Seite.
Jemand erkannte ihn unter all dem Blut, und man raunte sich seinen Namen zu.
»Das ist Gatsby.«
Keuchend, blutend und wutschnaubend begann der fette Bulle die Tulip Street hinunter seine Flucht. Die stämmigen Beine pumpten mechanisch auf und ab.
Das Geschrei wurde lauter. »Es ist Gatsby!«
Ein kleiner Junge, der einen abgefahrenen Reifen rollte, lief hinter Gatsby her, folgte ihm die Straße hinauf, während Frauen mit Lockenwicklern, die sich über Gartenzäune beugten, zu reden aufhörten, als diese bizarre Vision ihr Blickfeld kreuzte.
Ein Stück weiter die Tulip Street hinunter lag Donovan September unter einem Auto, das halb auf dem Bürgersteig parkte. Er reparierte den Auspuff, während zwei Freunde ihn mit Werkzeug und guten Ratschlägen versorgten. Er streckte die Hand nach einem Schraubenzieher aus, aber der kam nicht.
Dann hörte er die
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