Kap der Finsternis: Roman (German Edition)
und sah seinen Vater an.
»Gestern Abend, diese Männer …« Es fiel Burn genauso schwer, wie er es erwartet hatte. »Die wollten Mami weh tun.«
Matt starrte ihn an. »Warum?«
»Das waren böse Männer. Und ich musste tun, was ich getan habe, damit sie Mami nicht weh tun und auch nicht dir oder mir, verstehst du das?« Burn sah seinem Sohn fest in die Augen, in diese klaren blauen Augen, die ihn so sehr an Susans erinnerten. Allerdings ohne den Schatten des Misstrauens, der in ihre getreten war.
»Ja. Ich hatte Angst.«
»Ich auch.«
Matt zögerte. »Diese Männer … die kommen doch nicht mehr zurück?«
Burn schüttelte den Kopf. »Nein. Die kommen nicht mehr zurück.«
Matt nickte. »Sind sie tot?«
Burn starrte seinen Sohn an. »Ja«, antwortete er. »Sie sind tot.«
Der Junge nickte. »Okay.«
Burn verteilte Sonnenschutzmittel auf Matts Gesicht. Matt zappelte, wollte loskommen. »Matt, es ist in Ordnung, wenn du Angst hast. Wenn du mit mir oder Mami reden willst.«
»Nein, ich werde keine Angst mehr haben. Nicht, wenn sie nicht mehr wiederkommen.«
»Matty, sieh mich an.« Der Junge schielte zu ihm hinauf. »Du weißt, dass du mit niemandem außer Mami und mir darüber reden kannst, was gestern Abend passiert ist. Verstehst du das?«
Matt nickte. »Ja, Daddy.«
Burn fühlte sich beschissen dabei, seinen Sohn zu einem Komplizen zu machen. Er massierte den Rest Sonnencreme ein und nahm dann die Hände vom Körper seines Sohnes. Ein plötzlicher Energieschub überkam Matt, er rannte zum Wasser, lief, bis er kalte Füße hatte, und stürmte dann lachend wieder hinaus.
Burn lag auf dem Rücken, auf die Ellbogen gestützt, schaute zu, wie sein Sohn an diesem malerischen Strand spielte. Er kämpfte damit, den gewalttätigen Umweg zu verarbeiten, den sein Leben eingeschlagen hatte.
Ein Umweg, der vor zwei Jahren begann, als Tommy Ryan an seine Tür klopfte.
Er und Susan hatten gerade erst ein neues Haus im Valley bezogen, als Tommy vor ihrer Tür stand, mit einem Seesack in der Hand und einem blendenden Lächeln auf dem Gesicht, das von einem harten Leben und mangelnder zahnärztlicher Fürsorge nur leicht getrübt war. Es war über zehn Jahre her gewesen, seit Burn ihn das letzte Mal gesehen hatte.
Nach Desert Storm hatte Burn seinen Abschied genommen und war nach L. A. gezogen, wo er Arbeit in der boomenden Security-Branche gefunden hatte. Tommy blieb noch einige Jahre bei den Marines, nahm danach eine ganze Reihe von Jobs an, von denen er keinen lange machte, zumindest nach den in größeren Abständen eintrudelnden Karten zu urteilen, die immer unterschiedliche Poststempel trugen.
Susan hatte Tommy Ryan auf Anhieb nicht gemocht. Burn spürte, wenn Susan Tommy ansah, dann sah sie das verzerrte Spiegelbild ihres Mannes. Den Jack Burn, zu dem er vielleicht geworden wäre, wenn es schlecht gelaufen wäre. Aber sie hatte sich größte Mühe gegeben, ihre Gefühle zu verbergen, hatte Tommy im Gästezimmer das Bett bereitet, ohne zu fragen, wie lange er bleiben werde. Sie lachte über Tommys Witze und tat, als würde sie seine Kriegsgeschichten mögen. Doch Burn bemerkte, dass Susan einen Bogen um Tommy schlug und ihre Zeit stattdessen weitgehend mit Matt verbrachte, der sich gerade kopfüber in die Trotzphase stürzte.
Tommy besaß ein Talent. Er prahlte damit, dass er zuverlässiger als jeder Lügendetektor sofort entlarven könne, wenn jemand ihm Bullshit erzählte. Eines Abends bei ein paar Bieren fragte er Burn, ob er glücklich sei, und kaufte ihm die Antwort nicht ab. Nach ein paar weiteren Bieren erzählte Burn ihm die Wahrheit: Er sei pleite. Sein Security-Unternehmen war schon ein Jahr alt und warf noch keinen Gewinn ab. Die Renovierungsmaßnahmen am Haus hatten mehr gekostet als geplant, und Susan arbeitete nicht mehr, seit sie geheiratet hatten.
Sein alter Kumpel lächelte dieses berühmte Lächeln und bot eine typische Tommy-Lösung an. Warum fuhren sie nicht runter nach Gardena und pokerten ein bisschen? Tommy erinnerte Burn an den Spitznamen, den er damals während ihrer gemeinsamen Zeit bei den Marines gehabt hatte: Lucky. Und das verdientermaßen, denn er hatte bei jeder Partie Poker abgeräumt, die er gespielt hatte.
»Mein Gott, Tommy«, sagte Burn. »Wir haben um Bier und Kippen gespielt.«
»Die Karten sind aber immer noch dieselben, Bruder. Mit dem Unterschied, dass du den Pennern jetzt ihre Dollars abnimmst.«
Und das machte er. Mit zweihundert Dollar hatte er das Casino
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