Kap der Finsternis: Roman (German Edition)
Sie zuckte die Achseln. »Also, kein Ehemann. Kein Kind. Du kannst wieder deinen Arsch verkaufen.« Tief aus Gatsbys Lunge löste sich ein schleimiges Geräusch, wie eine Brustverletzung, durch die Luft eingesaugt wurde. Er lachte.
»Leck mich!« Carmen konnte es sich nicht verkneifen.
Er bewegte sich schnell für so einen riesigen Mann, und seine Faust schoss auf sie zu. In der letzten Sekunde stoppte er den Schlag, und sie spürte, wie seine feuchten Knöchel ihre Wange streiften. So standen sie voreinander, starrten sich in die Augen, bis er die Faust senkte.
»Das nächste Mal landest du im Krankenhaus.«
Dann drehte er sich um und walzte hinaus, ließ die Tür hinter sich offen stehen. Carmen schloss sie.
Sie setzte sich auf das fleckige Sofa. Rikki war tot. Sie konnte es immer noch nicht glauben. Sie hatte Angst davor gehabt, ihm zu erzählen, dass sie die Unterstützung für Sheldon verloren hatten. Rikki hätte ihr die Schuld gegeben, und anders als der fette Bure hätte er seine Schläge nicht im letzten Moment abgebremst. Scheiße, so wie sie Rikki kannte, hätte er auch noch zugetreten.
Sie spürte Erleichterung und dazu noch ein merkwürdiges Gefühl, das ihr nicht vertraut war. Es war Glück, begriff sie schließlich. Sie war glücklich. Zum ersten Mal seit sie sieben Jahre alt war, als ihr Vater angefangen hatte, sie mit seinen geflüsterten, verschwitzten Forderungen zu besuchen, gehörte sie keinem Mann.
Burn stand in der Küche und schaute zu Susan und Matt hinüber, die auf dem Sofa vor dem Fernseher saßen. Susan hielt die Hand ihres Sohnes. Noch vor zwei Tagen hätte Burn das glücklich gemacht. Er hätte es als Zeichen aufgefasst, dass Susan Matt wieder näherkam, dass sie sich wieder öffnete.
Aber er wusste jetzt, dass Susan sich darauf vorbereitete, sich zu stellen. Sie hatte Angst davor, von ihrem Sohn getrennt zu werden, und nahm sich jede Minute, die sie mit ihm zusammen sein konnte. Burn hielt es nicht aus, die zwei länger anzusehen, nicht in dem Wissen, dass sie in ein paar Tagen aus seinem Leben verschwinden würden.
Wahrscheinlich für immer.
Er fand sich im Dunkeln auf der Terrasse wieder, starrte hinunter auf die Lichter der Stadt. Für einen kurzen Moment wurde ihm schwindlig, als würde ihm alles entgleiten. Er setzte sich auf einen Holzsessel und verlangsamte ganz bewusst die Atmung. Zwang sich, wieder ruhiger zu werden. Zwang sich, daran zu denken, wer er war.
Er war immer eine Kämpfernatur gewesen. Als Kind hatte er seinen älteren Bruder vor den Schulhofschlägern beschützt. Er hatte blaue Augen und abgebrochene Zähne davongetragen, aber er hatte nie klein beigegeben. Niemals. Es gab immer noch Männer in seiner Heimatstadt, die sich einen hinter die Binde kippen und von dem Abend erzählen würden, als er mit gebrochenem Arm für seine Highschool die Landesmeisterschaft gewonnen hatte. Mit seinem gebrochenen Wurfarm. Er hatte extrem präzise Pässe gespielt und den entscheidenden Touchdown gemacht.
Bei den Marines konnte ihm die Scheiße noch so dick um die Ohren fliegen, immer hatte er einen Ort der Ruhe gefunden, eine innere Stille, durch die er ausreichend Zeit zum Handeln fand.
An dem Abend, als die Männer von der Terrasse aus hereingekommen waren, hatte er sofort gewusst, dass er sie ausschalten würde. Es war kein Gedanke, es war ein Reflex. Er war ein Kämpfer.
Jetzt verlor er seine Familie, und er unternahm nichts dagegen. Er ließ zu, dass Susan ihm weiter und immer weiter entglitt.
Er stand auf, ging auf der Terrasse auf und ab und stellte sich harte Fragen: Wollte er, dass sie ging? Wollte er allein sein, ohne etwas zu verlieren zu haben? Wollte er alles loswerden, was ihn verwundbar machte, wollte er sich an einen kalten Ort in seinem Inneren zurückziehen und für den Rest seiner Tage als Flüchtling vor dem Gesetz und allen Gefühlen leben, die ihn erst zum Menschen machten?
Nein. Nein, das wollte er nicht.
Burn ging ins Haus. Matt starrte immer noch wie hypnotisiert auf den Bildschirm. Susan war in der Küche, hackte Gemüse.
Burn lehnte sich gegen die Küchentheke, schaute ihr dabei zu. Sie hatte wunderschöne Hände, lange, feine Finger. Sie war Bildhauerin gewesen, als er sie kennenlernte. Während der letzten paar Jahre hatte sie das Interesse an der Bildhauerei verloren. Ihre Leidenschaft, eine Künstlerin zu sein, wurde verwässert und abgeschwächt durch die Pflichten einer Ehefrau und Mutter.
Susan beachtete ihn nicht. Sie schob
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