Kap der Finsternis: Roman (German Edition)
fasziniert war er gewesen vom Drama dieses neuen Lebens.
Jetzt erschien es ihm völlig unvorstellbar, dass er auch nur daran gedacht hatte, seinem Sohn für immer Lebewohl zu sagen.
Er stieg die Treppe von der Garage hoch und betrat das Haus durch die Küche. Das vertraute akustische Chaos des Cartoon Network plärrte ihm aus dem Wohnzimmer entgegen, und auf der Theke in der Küche war für zwei gedeckt.
»Matt?« Burn ließ seine Schlüssel auf die Küchentheke fallen und ging zum Fernseher. Dort fand er Mrs. Dollie ausgestreckt auf den Fliesen neben der Haustür liegen, ihr Kopf in einem unmöglichen, unnatürlichen Winkel, die Augen ins Nichts starrend. Das Wohnzimmer war leer.
Burn rannte los. »Matt!«
Er lief durch jedes einzelne Zimmer des Hauses, sah unter den Betten nach, in den Kleider- und Wandschränken. Er wusste, dass sein Sohn nicht mehr da war.
Schließlich kehrte er zu Mrs. Dollie zurück, tastete sinnlos und vergeblich nach ihrem Puls. Er ließ ihre leblose Hand zu Boden fallen. Burn sah auf die Uhr. Er war keine Stunde weg gewesen. Wer immer seinen Sohn hatte, würde jetzt bereits in der weitläufigen Stadt untergetaucht sein.
Mit dem Wind auf und davon.
Draußen waren Cops. Er könnte einfach hinausgehen und sie um Hilfe bitten. Sie ihre Arbeit machen lassen. Er wusste, dabei würde höchstwahrscheinlich seine Tarnung auffliegen. Egal. Ihn interessierte einzig und allein sein Sohn.
Aber er wusste, zu den Cops zu gehen könnte auch das Todesurteil für seinen Sohn bedeuten.
Jemand hatte Matt mitgenommen, weil er etwas wollte. Das hier war kein Einbruch. Nichts war gestohlen worden. Mrs. Dollie war getötet worden, damit sie den Entführer seines Sohnes nicht identifizieren könnte. Burn war überzeugt, dass sich jemand mit einer Forderung an ihn wenden würde. Darauf würde er warten.
Das war Matts Chance.
Vielleicht war es seine einzige.
Sie brachten Benny Mongrel runter ins Somerset Hospital. Keine schicke Privatklinik für ihn, einfach nur das öffentliche Krankenhaus. Zu wenig Geldmittel, zu wenig Personal, überbelegt.
Die Sanitäter ließen ihn in der Notaufnahme sitzen, zwischen Unfallopfern, nach Schlägereien blutenden Männern, kranken Obdachlosen und, äußerst bemerkenswert, einem Mann, der mit einer Axt im Schädel hereinkam. Selbst das ansonsten recht abgestumpfte Personal der Notaufnahme schaute zweimal hin.
Die diensthabende Schwester schenkte Benny Mongrels Verletzung einen eher desinteressierten Blick, sah sofort, dass es nicht lebensbedrohlich war, und sagte, er müsse warten.
Benny Mongrel wartete. Er hatte nichts Besseres vor.
Als er Ishmael Isaacs die Treppe heraufkommen hörte wie Clint Eastwood, die Pistole im Anschlag, hatte er aufgehört zu weinen, Bessies Kopf behutsam auf den Boden gelegt und war aufgestanden. Er hatte sich die Tränen aus dem gesunden Auge gewischt. Isaacs stand auf dem Treppenabsatz, die Waffe in der Hand, und fuchtelte damit in der Gegend herum, als wäre er beim Casting für einen dieser scheiß Actionfilme, die man ihnen immer im Knast gezeigt hatte.
»Die sind weg«, sagte Benny Mongrel.
Isaacs senkte die Pistole, gerade so, als sei er enttäuscht, niemanden erschießen zu können. »Was zum Teufel ist hier passiert?« Als wäre das alles allein Benny Mongrels Schuld, welche Scheiße auch immer sich hier abgespielt hatte.
»Zwei Typen sind reingekommen.« Benny Mongrel drückte seine Finger auf die Wunde in seiner Schulter. Fühlte sich nicht zu schlimm an. Er versuchte, Bessie zu ignorieren. Er wollte nicht, dass Isaacs sah, wie er weinte.
»Wer war das?«
Benny zuckte mit der gesunden Schulter. »Zwei Nichtsnutze. Lighties, Hellhäutige, kleine Scheißwichser. Wollten Werkzeuge stehlen und sich von der Kohle wahrscheinlich Tik kaufen.«
»Mit dir ist aber alles in Ordnung?«, fragte Isaacs ausgesprochen widerwillig.
Bennie nickte. »Mein Hund hat sie angegriffen. Die haben sie abgeknallt.«
Isaacs grunzte und verpasste Bessie einen gleichgültigen Tritt. »Erspart dem Tierarzt die Arbeit.«
Das war der Moment, als Benny Mongrel ihm eine verpasste, einen linken Haken auf die Nase. Benny war kein großer, kräftiger Mann, aber es gab nicht viel, was man ihm noch hätte beibringen können über das Kämpfen. Er spürte, wie die Nase des Vorarbeiters unter seinen Knöcheln brach.
Isaacs’ Hände schossen zu seinem Gesicht hoch, Blut tropfte zwischen seinen Fingern heraus. »Du scheiß Dreckskerl«, ließ er sehr gedämpft
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