Kaperfahrt
wenn man seine Lage dank Juans subkutanem GPS-Transponder kannte. Eine dunkle Linie, die weitestgehend den Konturen der Landschaft folgte, schlängelte sich von der Küste bis zu dem Schacht hinauf. Dort, wo die Linie an der Küste endete, befanden sich einige altersschwache Gebäude und ein langer Landungssteg. Weitere Gebäude standen am Rand eines Tales, in dem in großem Umfang Ausschachtungsarbeiten stattgefunden hatten.
Eric deutete zuerst auf das Hafengebiet. »Das ist das, was von einer Bekohlungsstation übrig geblieben ist, die um 1840 von England erbaut wurde. Im Jahr 1914 wurde sie durch den Bau eines größeren Kais modernisiert, wahrscheinlich schon als Vorbereitung für den Ersten Weltkrieg. Dieser Kai wurde während Rommels Nordafrikafeldzug teilweise zerstört, doch die Deutschen bauten ihn dann wieder auf, um ihn als Durchgangsstation für ihren Sturm auf Ägypten zu benutzen. Die dunkle Linie dort ist ein Bahngleis, das die Station mit der Steinkohlenmine verbunden hat.« Sein Finger folgte den Eisenbahnschienen zu den Gebäuden am Rand der Tagebaugrube. »Es gab mal einen Kanal für den Kohletransport, doch der Grundwasserspiegel sank, und man legte ein Bahngleis an.«
»In meinen Augen sieht es so aus, als wolle jemand diesen Ort wieder benutzen«, bemerkte Max.
»Das stimmt. Vor fünf Monaten fing es an. Das Bahngleis wurde instand gesetzt und entsprechend modifiziert, damit es von größeren Erzloren benutzt und wieder Kohle aus der alten Mine herausgeholt werden kann.«
»Hat jemand mal die Frage gestellt, welchen Sinn dies eigentlich macht, in einem Land, in dessen Erde vierzig Milliarden Barrel Öl nur darauf warten, zu Tage gefördert zu werden?«
»Das habe ich getan, sobald mir klar wurde, welchem Zweck diese Anlage einmal diente«, erwiderte Eric. »Und es ergibt tatsächlich keinen Sinn. Vor allem nicht angesichts der Bemühungen der Regierung um umweltschonende Energieerzeugung, wie man an dem Gezeitenkraftwerk ein Stück weiter entfernt an der Küste erkennen kann.«
»Also was geht hier wirklich vor?«
»Die CIA glaubt, das Ganze sei eine Tarnung für ein neues unterirdisches Kernforschungsprojekt.«
»Ich dachte, Onkel Muammar habe seine Atombombenpläne aufgegeben«, bemerkte Max. »Außerdem war die CIA, die ja bekanntlich auch die Flöhe husten hört, wahrscheinlich davon überzeugt, dass meine Schwiegermutter ein Kernforschungsprogramm betrieb, als sie sich einen neuen Rübenkeller ausheben ließ.«
Eric kicherte. »Ausländische Geheimdienste halten nicht viel von den Einschätzungen der CIA. Sie glauben, dass es sich um einen rechtmäßigen Betrieb handelt. Das Problem ist nur, dass ich nirgendwo einen Hinweis auf eine Firma finden kann, die dort tätig ist. Was eigentlich nicht besonders verwunderlich ist. Die Libyer sind nicht gerade für ihre Offenheit bekannt. Es gab einen Artikel in einem Fachmagazin, in dem es hieß, Libyen interessiere sich für die Technik der Steinkohlevergasung als mögliche Alternative zum Erdöl und habe ein System entwickelt, dessen Endprodukt noch reiner als Erdgas sei.«
»Du scheinst aber nicht davon überzeugt zu sein«, stellte Max fest.
»Ich musste ziemlich lange suchen, aber schließlich stieß ich auf Berichte von Schiffen, die diese Station früher mal benutzt hatten. Daraus ergibt sich, dass auf solchen Schiffen, die ihren Kohlevorrat dort regelmäßig aufgefüllt haben, die Wartungskosten um fünfzig Prozent zunahmen, ihre Leistung jedoch um zwanzig Prozent gemindert wurde.«
Als ausgebildeter Ingenieur erkannte Max sofort die Bedeutung von Erics Funden. »Die Kohle ist hochgradig verschmutzt, nicht wahr?«
»In einem Logbuch, das sich im Archiv befindet, äußert sich der Kapitän des Küstenfrachters Hydra dahingehend, dass er seine Kohlenbunker lieber mit Sägemehl füllen würde, als Kohle von dieser Station zu verwenden.«
»Es gibt zurzeit keine Vergasungstechnologie, die aus solcher Kohle sauberes Gas gewinnen kann. Also, was hat es mit diesem Ort in Wirklichkeit auf sich?«
»Die Anlage nördlich der Kohlengrube wurde früher vom libyschen Militär als Trainingsgelände benutzt.«
»Demnach steht die Regierung hinter dieser Geschichte«, schlussfolgerte Max.
»Nicht unbedingt«, hielt ihm Eric entgegen. »Die ganze Anlage wird seit zwei Jahren nicht mehr benutzt.«
»Also zurück auf Anfang«, sagte Max enttäuscht.
»Das befürchte ich auch. Während der letzten beiden Tage haben in Syrien verdächtige
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