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Kaperfahrt

Kaperfahrt

Titel: Kaperfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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geschlagen hatte. Er war ihr nahe genug, dass sie den Tabak in seinem Atem riechen und auch erkennen konnte, dass er nicht viel älter als zwanzig Jahre alt war. In seinen Augen lag ein seltsam lebloser Ausdruck. Er betrachtete sie nicht als menschliches Wesen. Aus seinem Blick konnte sie noch nicht einmal herauslesen, dass er sie für ein lebendiges Objekt hielt.
    Die anderen Wächter, die das Dutzend Frauen beaufsichtigten, sahen bewusst zur Seite. Eine Vereinbarung war getroffen, ein Handel abgeschlossen worden. Solange er wollte, gehörte Alana Shepard diesem Mann.
    Sie versuchte, ihm ein Knie in den Unterleib zu rammen, musste ihre Absichten jedoch so deutlich angekündigt haben, dass er sich rechtzeitig wegdrehte und ihr Knie nur seinen Oberschenkel traf. Sein lüsterner Gesichtsausdruck veränderte sich noch nicht einmal, als er sie auf dieselbe Wange schlug, die bereits anzuschwellen und sich dunkel zu verfärben begann.
    Alana weigerte sich zu schreien oder zusammenzubrechen. Schwankend hielt sie sich auf den Füßen, bis der stechende Schmerz nachließ und ihr Kopf sich klärte. Der Wächter drehte sie abermals herum und schob sie dann mit einer knochigen Hand, deren Finger sich in ihre Schulter gruben, von den anderen weg.
    In etwa hundert Metern Entfernung stand ein alter Schuppen. Die Hälfte seines Daches fehlte, und die Seitenwände bogen sich nach innen wie der durchgesessene Rücken eines altersschwachen Pferdes. Die Tür hing nur noch an einem rostigen Scharnier. Dicht vor der Schwelle versetzte der Wächter Alana einen ausreichend heftigen Stoß, so dass sie stolperte und zu Boden stürzte. Sie wusste, was jetzt käme, hatte etwas Ähnliches bereits auf dem College erlebt und sich geschworen, so etwas nie mehr zuzulassen. Als sie sich umdrehte, um vom Boden zu ihm hochzuschauen, wischte ihr Arm über den Boden, und ihre Hand sammelte Sand und kleine Steinchen auf.
    Er stürzte vor und trat gegen ihr Handgelenk. Ihre Finger öffneten sich reflexartig, und ihr Arm wurde taub und kraftlos. Ihre armseligen Waffen rieselten herab. Er sagte etwas auf Arabisch und kicherte dabei spöttisch.
    Alana öffnete den Mund, um einen Schrei auszustoßen, doch plötzlich war er auf ihr. Eine Hand presste er auf ihre Nase und ihren Mund. Was er mit der anderen Hand tat, versuchte sie zu verdrängen. Sie wand sich unter seinem Gewicht, wollte ihm in die Finger beißen und das Grässliche ausblenden, das gleich geschehen würde, aber er hielt sie auf der Erde fest. Sie konnte nicht atmen. Als er sich auf sie stürzte, hatte sie instinktiv ausgeatmet – und seine Hand verhinderte, dass sie ihre Lungen wieder mit Luft füllen konnte. Benommenheit legte sich auf ihr Bewusstsein, und nach ein paar Sekunden heftigster Gegenwehr streikte ihr Körper. Ihre Bewegungen wurden langsamer, matter. Eine aufkommende Ohnmacht legte sich wie ein schwarzer Schatten auf sie.
    Dann ertönte ein lautes Knacken, ähnlich einem Knistern, das entsteht, wenn ein Bündel trockener Äste zerbrochen wird, und sie konnte sich wieder freier bewegen und einatmen. Über sich sah sie den Handrücken eines Mannes und den Hinterkopf ihres Peinigers. Der Wächter wurde von ihr heruntergezogen, und Alana konnte tief Luft holen. Aber es waren nur einige keuchende Atemzüge, die kaum ausreichten, ihre Lungen zu füllen. Der erfolglose Vergewaltiger landete neben ihr, so dass sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt war. Falls so etwas überhaupt möglich war, brachte der Tod tatsächlich so etwas wie eine Spur Leben in seine starren Augen.
    Neben ihr kniete der andere Wächter, der sie bei der Essenausgabe hatte würgen sehen. Er hatte dem Mann mit bloßer Hand das Genick gebrochen.
    Nun sprach er mit sanfter Stimme zu ihr, und sie brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass sie seine Worte verstand. Er sprach Englisch. »Sie sind jetzt okay«, hatte er gesagt. »Seine Leidenschaft ist abgekühlt. Für immer.«
    »Wer? Wer sind Sie?« Er hatte seine Kufiya heruntergezogen. Er war älter als alle anderen Wächter, die sie bisher zu Gesicht bekommen hatte, und seine Haut schien von einem Leben im Freien wettergegerbt zu sein. Außerdem bemerkte sie, dass im Gegensatz zu allen anderen Leuten, denen sie in letzter Zeit begegnet war, eins seiner Augen braun war und heftig tränte, während das andere in einem strahlenden Blau funkelte.
    »Mein Name ist Juan Cabrillo, und wenn Sie am Leben bleiben wollen, müssen wir beide schnellstens von

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