Kaperfahrt
Teil von dem Kopftuch bedeckt wurde, das man ihr gegeben hatte. Ihre Augen leuchteten grün. Zuerst tippte er auf eine Türkin, doch in ihrem Auftreten lag eine typisch amerikanische Selbstsicherheit, die ihn dazu brachte seine Vermutung zu revidieren.
Er hatte sie nachher im Auge behalten und hielt sich bereit, als ihr Quälgeist zurückkam, um sich an ihr dafür zu rächen, dass der Chef der Wachmannschaft ihn vor den Augen und Ohren aller Anwesenden abgekanzelt hatte.
Cabrillo trug das, was er als sein Nahkampfbein bezeichnete. Es war eine Prothese, die Kevin Nixon mit Hilfe des Waffenmeisters der Oregon in seinem Zauberladen ausgetüftelt und zusammengebaut hatte. In dem mit Plastikmaterial verkleideten Bein war ein Würgedraht versteckt, den er hätte benutzen können, sowie eine kompakte Kaliber-.380-Kel-Tec-Pistole. Die Waffe besaß keinen Schalldämpfer, daher blieb sie in seiner Tasche stecken. Er beabsichtigte, dem Mann das Genick zu brechen.
»Ich nehme an, ich habe keine Wahl«, sagte Alana, während sie Juans dargebotene Hand ergriff.
Der Schuppen war vom Mittelpunkt des Lagers so weit entfernt, dass keiner der Wächter ihn direkt sehen konnte. Sie wussten, was dort stattfinden würde, daher wagte niemand, offen zu ihm hinüberzublicken. Daher konnte sich Juan mit Alana unbeobachtet von der Baracke zu einem flachen Erdwall, der dahinter lag, schleichen. Sobald sie den Wall überwunden hatten, pressten sie sich flach auf den Boden und warteten, wobei Cabrillo das Lager weiter beobachtete und nach Anzeichen Ausschau hielt, dass man sie gesehen hatte.
Alles erschien völlig normal.
Nach ein paar Minuten entschied er, dass sie ungefährdet ihren Weg fortsetzen konnten. Er und sein neuer Schützling rutschten nun den Abhang hinab, schlugen die Richtung in die offene Wüste ein und ließen das Ausbildungslager für Terroristen hinter sich.
Er schätzte, dass sie etwa eine Stunde Zeit hätten, ehe jemand daran dachte, nach dem ausbleibenden Wächter zu suchen, und wenn sie unter den Gefangenen nach jemandem fahndeten, der fähig wäre, einem Mann das Genick zu brechen, würden sie sicherlich sofort mehrere entdecken, die dafür in Frage kämen. Die allgemeine Verwirrung würde vermutlich dafür sorgen, dass sie sich mit dem Aussenden einer Patrouille Zeit ließen. Jedoch machte er sich wegen möglicher Verfolger keine Sorgen. Er hatte während des Mittagessens gesehen, wie man mit Flüchtlingen verfuhr, und erkannt, dass sich die Wächter die Arbeit von der Wüste abnehmen ließen und darauf warteten, dass die Aasfresser sie zu ihren Jagdopfern führten.
Höchstwahrscheinlich würden sie in ein oder zwei Tagen ein Fahrzeug losschicken, um nach kreisenden Geiern Ausschau zu halten.
Zu diesem Zeitpunkt plante er allerdings, sich in der kupfernen Wanne in seiner Kabine an Bord der Oregon ausstrecken zu können, in einer Hand einen eiskalten Drink und eine Havanna in der anderen. Und weil er sein Satellitentelefon verloren hatte, würde ein blutgetränkter Verband sein Bein verschönern.
20
Ein ungewöhnlicher Alarmton weckte Dr. Julia Huxley. Ihre Kabine befand sich direkt neben ihrem Büro, dessen Tür ständig offen stand. Der Alarm kam von ihrem Computer, und als sie hinübersah, konnte sie erkennen, wie der Bildschirm erwachte und sein milchiger Schein auf ihren aufgeräumten Schreibtisch fiel und von den stählernen Armlehnen ihres Rollsessels reflektiert wurde.
Julia schleuderte die Bettdecke weg, während ihre Hände automatisch ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammenrafften und diesen mit dem Gummiband, das jederzeit auf ihrem Nachttisch bereitlag, fixierten. In ihrem einzigen – wenn auch heimlich ausgelebten – Tribut an ihre Weiblichkeit trug sie ein weißes, mit handgeklöppelter Spitze verziertes Seidennachthemd, das ihre Figur wie eine zweite Haut umschmeichelte. Wenn sie mit einem nächtlichen Notfalleinsatz rechnen musste, was gewöhnlich der Fall war, wenn die Oregon in Kampfhandlungen verstrickt war, schlief sie in einem weiten T-Shirt. Doch wenn alles ruhig war, hatte sie einen ganzen Kleiderschrank voll reizvoller Nachtwäsche. Ein paarmal wäre sie beinahe dabei ertappt worden. Aber da am Fußende ihres Bettes stets ein frischer Arztkittel bereitlag, konnte sie sich innerhalb von Sekunden umziehen, ohne dass jemand etwas von ihrer Vorliebe bemerkte.
Barfuß tappte Julia durch ihre Kabine und ließ sich in den Sessel vor ihrem Computer fallen. Als sie die Klemmlampe an
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