Kaperfahrt
dass Assad mit den Frauen von Regierungsangestellten der mittleren Ebene schlief. Sogar jene Frau in Hafennähe war die Schwester eines Vizedirektors des Energieministeriums.
Wenn man bedachte, dass Assad nicht gerade zu den attraktivsten männlichen Erscheinungen gehörte, waren seine libidinösen Eroberungen wirklich beeindruckend.
Eddie und Hali kamen zu dem Schluss, dass Assad nicht mehr sein mochte als ein mäßig korrupter Hafenlotse mit hyperaktiver Libido und erstaunlich vielen Bekanntschaften. Dies galt jedoch nur bis zu Max Hanleys Mitteilung, die wie eine Bombe einschlug. Danach gewannen Assads vielfältige Abstecher in die Schlafzimmer libyscher Regierungsbeamten eine ganz neue und bedrohlichere Bedeutung.
Juan hörte aufmerksam zu, während Eric ihm per Telefon den Verlauf des alten Bahngleises durch die Berge zur Küste in etwa zwanzig Meilen Entfernung beschrieb. Die Satellitenbilder lieferten keinerlei Anhaltspunkte über das Gefälle der Strecke, doch laut Juans Ortungschips befand er sich in etwa tausend Fuß Höhe über Meereshöhe, als er im Terroristencamp aus dem Hubschrauber gestiegen war.
Nach eingehender Betrachtung der ersten Grundzüge eines Plans, der – noch während Eric redete – in seinem Kopf bereits Gestalt annahm, entschied Cabrillo, dass es eine Höllenfahrt werden würde.
Erschwert wurde das Unternehmen noch zusätzlich durch den engen Zeitrahmen, denn ihm fiel keine plausible Begründung ein, mit der Overholt die Libyer hätte bitten können, ihren Angriff noch etwas hinauszuzögern, ohne seine Absichten zu verraten.
Hinzu kam, dass er während der vorangegangenen achtundvierzig Stunden nicht mehr als sechs Stunden geschlafen hatte, und nach der Verfassung seiner drei Gefährten zu schließen ging es ihnen nicht viel besser.
»Was ist los?«, fragte Linc, dessen chirurgische Handschuhe mit Blut bedeckt waren, während er die letzte Naht fertigstellte. Er hatte die Wunde in Juans Bein mit drei Reihen Catgut geschlossen, wobei er sich von der tiefsten Stelle des Wundkanals nach oben zur Außenhaut so emporgearbeitet hatte, dass sich die Wunde unter keinen Umständen wieder öffnen konnte. Da die örtliche Betäubung den Schmerz auf einem halbwegs erträglichen Level hielt, vertraute Juan darauf, dass sein Körper ihn nicht im Stich lassen würde.
»Was meinst du?«
»Du hast gerade gekichert«, erwiderte Linc, streifte die Handschuhe ab und stopfte sie in einen roten Behälter für biologisch gefährliche Abfälle.
»Habe ich das? Ich dachte nur daran, dass wir im Augenblick derart in der Klemme stecken, dass ich gar nicht weiß, ob das, was ich vorhabe, überhaupt funktionieren kann.«
»Doch nicht etwa schon wieder einer deiner berüchtigten C-Pläne?«, stöhnte Linda. Sie stand außerhalb des Pig und schaute über Lincs massige Schulter.
»Deshalb habe ich gelacht. Reiner Galgenhumor. Wir sind in Wahrheit aber längst über C hinaus und bereits bei Plan D, E oder F.«
Für Cabrillo ergaben sich zwei Optionen, aber keine richtige Wahl. Er war im Begriff, sie alle wie auf einem Schießstand aufzureihen, wobei das Pig die Rolle einer Lockente spielen würde.
Linc fixierte mit Heftpflaster eine Mullkompresse auf Juans Beinwunde und sagte: »Falls Doc Huxley etwas an meiner Arbeit auszusetzen hat, bestell ihr doch, sie soll sich deshalb gefälligst an deine HMO wenden.«
Juan zog sich seine Hose wieder an. Sie war an einem Dutzend Stellen zerrissen und derart mit Sand verkrustet, dass sie knisterte, als er sie sich über die Hüften zog. Doch im Pig gab es keine Ersatzkleidung. Er machte ein paar Kniebeugen, als er aus dem Pig auf den Erdboden sprang. Die Wunde spannte, aber die Naht hielt immerhin, und die örtliche Betäubung wirkte.
Noch war die Sonne über den fernen Bergen nicht aufgegangen, so dass nur die Sterne kalt und unverrückbar über ihm am Himmel standen. Cabrillo betrachtete sie einen Moment lang und fragte sich – und das nicht zum ersten Mal –, ob er sie wohl jemals wiedersehen würde.
»Aufsitzen!«, rief er. »Wenn die Oregon eintrifft, dürfte die Show zum größten Teil vorbei sein. Und wir haben noch verdammt viel harte Arbeit vor uns.«
»Nur so aus Neugier, Juan«, sagte Linc beiläufig, »wer sind diese Leute eigentlich, die wir retten wollen? Politische Gefangene, gewöhnliche Kriminelle oder was?«
»Ich glaube, dass sie vielleicht der Schlüssel zu dieser ganzen Affäre sind.«
Linc nickte knapp. »In Ordnung.«
»Wenn du
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