Kaperfahrt

standen. In der Luft lag noch immer der beißende Rauchgestank.
    »Drei von ihnen befinden sich auf eurer rechten Seite«, meldete Linda über das taktische Funknetz. »Sie sind im Korridor drei Meter von euch entfernt und im Begriff, sich weiter zurückzuziehen.«
    Juan gab diese Information mit Handzeichen an seine Männer weiter, worauf sie die Kantine wie Wesen aus einem Albtraum verließen und gleichzeitig zielten. Die Betäubungspistolen gaben ein leises Zischen von sich – und noch ehe die Pfeile ihre Ziele gefunden hatten, waren Cabrillo und seine Männer schon wieder in der Kantine.
    Die Geschosse trafen die Männer in den Schultern, wobei die extrem dünnen Nadeln problemlos durch die Kleidung drangen und im Fleisch stecken blieben. Der stechende Schmerz ließ die Männer herumwirbeln … und einer eröffnete in Panik sogar das Feuer. Das Flackern der Mündungsblitze erhellte einen leeren Korridor, und zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Stunden machten Malik und Aziz Jagd auf Gespenster.
    »Dieses Schiff wird von bösen Dschinnen bevölkert«, konnte Aziz gerade noch hervorstoßen, ehe das Betäubungsmittel seine Wirkung entfaltete. Malik, der von größerer Statur war, schwankte einen Moment länger, ehe auch er taumelnd zu Boden ging und auf der reglosen Gestalt des dritten Rebellen landete.
    »Damit sind es nur noch zehn«, sagte Linda. »Aber wir haben ein anderes Problem.«
    »Sag schon«, antwortete Juan angespannt.
    »Die Piraten am Ufer organisieren sich. Irgendein Kerl sammelt sie, um auf die Oregon zurückzukehren. Er hat bereits fünfundzwanzig oder dreißig zusammen, die auch schon Anstalten machen, es zu versuchen.«
    »Bin ich über die Lautsprecher zu hören?«
    »Ab jetzt.«
    »Mark, aktiviere eins der .30er auf dem Hauptdeck und zerstreu diese Gruppe. Eric, bring uns vom Ufer weg.«
    Eric Stone und Mark Murphy verständigten sich durch ein knappes Grinsen und führten Cabrillos Anweisungen aus. Murphy gab den Befehl zum Ausfahren eines der Kaliber-.30-Maschinengewehre ein, das in einem Ölfass auf dem Hauptdeck versteckt war.
    Der Fassdeckel klappte auf, und die Waffe fuhr in vertikaler Position hoch, ehe das Kardangelenk sie absenkte, bis der Lauf auf die Lehmböschung hinter dem Pier zielte. Eine mit dem M60 verbundene Kamera schickte ein Zielbild mitsamt Fadenkreuz auf Murphys Computermonitor.
    Das Geschütz bellte heiser und jagte eine Salve über die Köpfe der Menschenmenge hinweg, während sich ein Regen leerer Patronenhülsen auf das Deck ergoss. Die bewaffneten Piraten warfen sich entweder flach zu Boden oder verschwanden über die Böschung. Einige derjenigen, die vor der Böschung lagen, erwiderten das Feuer und beharkten den Bereich um das ferngesteuerte Maschinengewehr. Die Wirkung ihrer 7.62-mm-Geschosse war etwa die gleiche, als griffe man ein Nilpferd mit einer Erbsenpistole an.
    Neben Murphy fuhr Eric Stone die Energie der magnetohydrodynamischen Maschinen hoch. Das Wasser des Mangrovensumpfs hatte durch die Vermischung mit Süßwasser nur einen geringen Salzgehalt, doch dieser reichte für immerhin achtzig Prozent der vollen Maschinenleistung aus. Eric Stone ging auf Gegenschub. Die kraftvollen Hydropumpen brachten das Wasser am Bug der Oregon zum Schäumen, und das schwere Schiff entfernte sich vom Kai.
    Die zerfledderten Hanfseile, mit denen die Piraten das Schiff festgemacht hatten, strafften sich, bis die Spannung so groß war, dass sie zerrissen. Eric lenkte das Schiff gut dreißig Meter vom Kai weg und schaltete dann die Steuerelektronik ein, um die Oregon genau auf den einprogrammierten GPS-Koordinaten zu halten.
    Keinesfalls würde er versuchen, das Schiff aus dem Sumpf hinauszumanövrieren, ohne dass Cabrillo in der Nähe war, um helfend einzugrei fen, falls er in Schwierigkeiten geriet.
    Aber dann wurde ihm die Entscheidung abgenommen.
    Wie die Salve einer Schlachtenlinie Bogenschützen erschienen raketengetriebene Granaten über der Böschung. Die Rauchspuren, die sie hinter sich herzogen, füllten den Himmel von Horizont zu Horizont.

6
    Mit der Faust schlug Eric auf den Kollisions-Alarmknopf. Der elektronische Ruf drang in jeden Winkel des Schiffes. Es war ein Laut, den die Mannschaft aus unzähligen ähnlichen Situationen kannte.
    Bei dieser kurzen Entfernung reichte die Zeit nicht mehr, um das 20-mm-Gatling-Abwehrsystem in Gang zu setzen, Mark aktivierte es jedoch trotzdem für die zweite Salve, die ganz sicher folgen würde.
    Einige der Raketen kamen vom