Kaperfahrt
Allmählich war er Assads Fragen leid. Er öffnete eine Schreibtischschublade. Assad beugte sich vor, als Juan einen prall gefüllten Umschlag herauszog. »Ich denke, damit dürfte unsere Transaktion angemessen honoriert sein.«
Er reichte den Umschlag über den Tisch. Assad verstaute ihn in seinem Aktenkoffer, ohne ihn zu öffnen. »Unser gemeinsamer Freund auf Zypern versicherte mir, dass Sie ein ehrenwerter Mann sind. Ich glaube ihm aufs Wort und zähle das Geld jetzt nicht.«
Juan hatte Mühe, ein abfälliges Grinsen zu un terdrücken. Er wusste genau, dass Assad das Geld mindestens zweimal gezählt hätte, ehe er das Schiff an seinen Ankerplatz gebracht hatte. »Sie sagten vorhin sinngemäß, dass Kundendienst die Seele des Geschäfts sei. Ich würde hinzufügen, dass ein guter Ruf mindestens genauso wichtig ist.«
»Das ist wahr.« Beide Männer erhoben sich und wechselten einen Händedruck. »Würden Sie mich jetzt bitte auf die Kommandobrücke führen, Kapitän? Ich will Ihre Geduld nicht weiter strapazieren.«
»Es ist mir ein Vergnügen.«
Cabrillo war stets der Meinung gewesen, dass das organisierte Verbrechen in den Häfen und auf den Kais der alten phönizischen Seefahrer das Licht der Welt erblickt haben musste, als ein paar Hafenarbeiter eine Amphore Wein stibitzten. Er stellte sich vor, dass sie den Wächtern ein oder zwei Becher dafür gaben, dass sie wegschauten, und er konnte sich außerdem vorstellen, dass irgendjemand sie beobachtet hatte und sie dann erpresste, noch mehr zu stehlen. Bei diesem sehr simplen Vorgang waren für eine Verbrecherorganisation drei Dinge nötig: Diebe, korrupte Wächter und ein Boss, der seinen Tribut fordert. Und das Einzige, was sich seitdem in den Tausenden von Jahren geändert hatte, war die Größenordnung des Diebstahls. Häfen stellten ganz eigene Welten dar und bewahrten, wie streng die örtlichen Regeln und Vorschriften auch sein mochten, in verschiedenen Bereichen ihre Autonomie, die nur jemand, der bestechlich war, in vollem Umfang ausnutzen konnte.
Er hatte es während seiner Jahre auf See immer wieder erlebt und dann während seiner Tätigkeit für die CIA – in mehreren Städten – die in den Häfen tief verwurzelte Korruptionspraxis als Zutritt zum kriminellen Untergrund genutzt. Bei der großen Menge von Gütern, die kamen und gingen, waren Häfen der ideale Schauplatz für krumme Geschäfte. Es war also kein Wunder, dass die Mafia in ihrer Blütezeit stets einen engen Kontakt zur Teamsters Union, der Gewerkschaft der Hafenarbeiter, gepflegt hatte.
Die Gewohnheit, Frachtgut in Containern zu transportieren, hatte für kurze Zeit dazu geführt, dass Kleindiebstähle erheblich nachließen, da die Waren in gesicherten Behältern von Ort zu Ort reisten. Aber schon bald dämmerte es den Bossen, dass sie ja genauso gut ganze Container stehlen konnten.
Juan stand mit Max Hanley auf dem Brückenflügel, von wo aus sie den Hafen überblicken konnten. Würzig riechender Rauch kräuselte sich aus Max’ Tabakpfeife und half, den Gestank von Dieseltreibstoff und fauligem Fisch, der wie eine Glocke über dem Hafen lag, einigermaßen zu überdecken. Ihrem Liegeplatz gegenüber hievte soeben ein Fahrkran auf Raupenketten einen Container aus einem Küstenfrachter. Der Kran war nicht beleuchtet, und die Auslegerlampen waren gelöscht. Der Sattelschlepper, der bereitstand, um die Ladung aufzunehmen, hatte noch nicht einmal die Scheinwerfer eingeschaltet. Nur eine einzige Taschenlampe eines Mannschaftsangehörigen, der in der Nähe des Containers stand, erhellte die Szene ein wenig. Mr. Assad hatte die Oregon sofort verlassen, um das Ausladen zu überwachen. Cabrillo konnte seine Silhouette neben der Gestalt des Schiffskapitäns auf dem Kai nur undeutlich erkennen. Es war zwar zu dunkel, um zu verfolgen, wie der Umschlag den Besitzer wechselte, aber Eric hatte den Vorgang gemeldet, nachdem er die Szene durch die Restlichtkamera der Oregon beobachtet hatte.
»Es sieht so aus, als kenne L’Enfant seine Leute«, sagte Max. »Unser Mr. Assad ist ein vielbeschäftigter Mann.«
»Wie sagte Claude Rains in Casablanca? › Ich bin nur ein armer korrupter Beamter.‹«
Cabrillos Walkie-Talkie knisterte. »Chef, die Ladeklappe ist offen. Wir sind bereit.«
»Roger, Eddie. Assad sagte, wir könnten unseren eigenen Kran benutzen, um das Pig auszuladen, also macht euch an die Arbeit.«
»Alles klar.«
Ganz genauso wie auf dem geheimnisvollen Schiff am
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