Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kapitaen Bykow

Kapitaen Bykow

Titel: Kapitaen Bykow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki
Vom Netzwerk:
ist in der Bibliothek.«
    Krawez warf einen Blick auf Jura. »Bei mir ...«, begann er.
    Die Stimme im Radiofon rückte plötzlich in weite Ferne. »Guten Tag, Wladimir Sergejewitsch ... Ja, ja, die Zeichnungen habe ich vorbereitet ...«
    Man hörte die kurzen Huptöne, die das Gesprächsende anzeigten. Krawez steckte das Radiofon in die Tasche und blickte unentschlossen auf Sina und auf Jura. »Ich muss gehen«, sagte er. »Der Direktor bittet mich, unserem Atmosphärenphysiker zu helfen ... Sina, sei so gut, zeig unserem Gast das Observatorium. Denk dran, er ist ein guter Freund von Wladimir Sergejewitsch, man muss ihn möglichst gut behandeln.«
    Sina antwortete nicht. Als hätte sie Krawez nicht gehört, beugte sie das Gesicht nur noch tiefer über die Maschine. Krawez zeigte Jura sein trauriges Lächeln, zog die Brauen hoch, breitete andeutungsweise die Arme aus und ging.
    Jura trat ans Pult und blickte verstohlen auf das Mädchen. Sie hatte ein liebes und irgendwie hoffnungslos müdes Gesicht. Was hatte das alles zu bedeuten? ›Ist Wladimir Sergejewitsch wirklich zur Inspektion hierhergekommen?‹ – ›Denk dran, er ist ein guter Freund von Wladimir Sergejewitsch.‹ – ›Fahrt doch alle zur Hölle!‹ Jura spürte, dass dies alles nichts Gutes bedeutete. Er hatte das dringende Bedürfnis, sich in irgendetwas einzumischen. Wegzugehen und alles so zu lassen war entschieden unmöglich. Wieder blickte er Sina an. Das Mädchen arbeitete fleißig. Noch nie hatte er so ein liebes Mädchen derart traurig und schweigsam erlebt. Mein Gott, sie haben sie ja gekränkt, dachte er plötzlich. Sonnenklar, dass sie sie gekränkt haben. Wenn vor deinen Augen ein Mensch gekränkt wird, bist du auch schuld, erinnerte er sich automatisch. Also dann ...
    »Was ist das?«, fragte Jura laut und zeigte mit dem Finger aufs Geratewohl auf eine der blinkenden Lampen.
    Sina zuckte zusammen und hob den Kopf. »Das?«, fragte sie. Zum ersten Mal hob sie den Blick zu ihm. Sie hatte ungewöhnlich blaue große Augen.
    »Genau, das«, sagte Jura dreist.
    Sina schaute ihn noch immer an. »Sagen Sie«, wollte sie wissen, »werden Sie bei uns arbeiten?«
    »Nein«, sagte Jura und trat an den Tisch heran. »Ich werde nicht bei Ihnen arbeiten. Ich bin hier auf der Durchreise. Und ich bin auch kein Freund von Wladimir Sergejewitsch, wir sind nur ein wenig bekannt miteinander. Und ich bin kein Liebling. Ich bin Vakuumschweißer.«
    Sie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Warten Sie«, murmelte sie. »Vakuumschweißer? Warum Vakuumschweißer?«
    »Und warum nicht?« Jura fühlte, dass das aus unerfindlichen Gründen ungeheure Bedeutung hatte und dass es sehr gut für dieses liebe traurige Mädchen war, in ihm gerade einen Vakuumschweißer und nicht irgendjemand anders zu finden. Noch nie war er so froh gewesen, Vakuumschweißer zu sein.
    »Verzeihen Sie«, sagte das Mädchen. »Ich habe Sie verwechselt.«
    »Mit wem?«
    »Ich weiß nicht. Ich dachte ... Ich weiß nicht. Es ist nicht wichtig.«
    Jura ging um den Tisch herum, blieb neben ihr stehen und schaute auf sie herab. »Erzählen Sie«, forderte er.
    »Was?«
    »Alles. Alles, was hier vorgeht.«
    Und plötzlich sah Jura, wie auf die glänzende polierte Oberfläche des Tisches in rascher Folge Tropfen fielen. Er fühlte plötzlich einen Kloß in der Kehle. »Auch das noch«, sagte er zornig.
    Sina schüttelte heftig den Kopf. Er blickte erschrocken zur Luke und sagte grimmig: »Hören Sie auf zu heulen! So eine Schande!«
    Sie hob den Kopf. Ihr Gesicht sah feucht und elend aus, die Augen waren noch stärker geschwollen. »Wenn ... Sie ... so ...«, murmelte sie.
    Er holte ein Taschentuch hervor und legte es ihr in die Hand. Sie begann, sich die Wangen abzuwischen.
    »Wer war das?«, fragte Jura leise. »Krawez? Dann geh ich und geb ihm jetzt eins in die Visage, soll ich?«
    Sie faltete das Taschentuch zusammen und versuchte zu lächeln. Dann fragte sie: »Sagen Sie, sind Sie wirklich Vakuumschweißer?«
    »Wirklich. Aber heulen Sie bloß bitte nicht wieder los. Ich sehe zum ersten Mal einen Menschen, der beim Anblick eines Vakuumschweißers in Tränen ausbricht.«
    »Und ist es wahr, dass Jurkowski seinen Günstling ins Observatorium mitgebracht hat?«
    »Was für einen Günstling?«
    »Bei uns hier hat es geheißen, dass Jurkowski auf der Dione einen von seinen Lieblingen unterbringen will – einen Astrophysiker ...«
    »So ein Quatsch!«, sagte Jura. »An Bord sind nur die Besatzung,

Weitere Kostenlose Bücher