Kapitaen Bykow
Liftturm eine schmale Trosse gespannt. Jura bewegte sich ohne Eile und vorsichtig entlang der Trosse, er registrierte mit Befriedigung, dass die Trainingszeit unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit nicht vergebens gewesen war. Vor ihm, an die fünfzig Schritt entfernt, glitzerte im gelben Licht des Saturn der Skaphander Michail Antonowitschs.
Die riesige gelbe Sichel des Saturn stand schräg hinten über seiner Schulter. Voraus über dem nahen Horizont leuchtete hell ein grünlicher abnehmender Mond – das war der Titan, der größte Trabant des Saturn und überhaupt der größte Mond im Sonnensystem. Jura schaute sich nach dem Saturn um. Die Ringe waren von der Dione aus nicht zu sehen, Jura erblickte nur einen schmalen silbrigen Strahl, der die Sichel mittendurch schnitt. Der unbeleuchtete Teil der Saturnscheibe schimmerte schwach grünlich. Irgendwo hinter dem Saturn bewegte sich jetzt die Rhea.
Michail Antonowitsch wartete auf Jura, und gemeinsam zwängten sie sich durch die niedrige halbrunde Türöffnung. Das Observatorium lag unter dem Boden, an der Oberfläche blieben nur die Gittertürme der Interferometer und die Parabolantennen, die riesigen Schüsseln glichen.
Während er in der Schleusenkammer aus dem Skaphander stieg, sagte Michail Antonowitsch: »Jura, ich geh in die Bibliothek, du kannst hier herumspazieren, dich umsehen, die Mitarbeiter sind alle jung, du wirst dich rasch mit ihnen bekannt machen ... In zwei Stunden treffen wir uns dann ... Oder du kehrst direkt zum Schiff zurück ...«
Er klopfte Jura auf die Schulter und ging, mit den Magnetsohlen polternd, den Korridor nach links. Jura wandte sich nach rechts. Der Korridor war rund, mit mattem Plastik verkleidet, nur unter den Füßen lag ein schmaler stählerner Steg, von den Sohlen zerkratzt. Den Korridor entlang liefen Röhren, in denen es brodelte und gluckste. Es roch nach Kiefernwald und erhitztem Metall.
Jura ging an einer offenen Luke vorbei. In dem Zimmer war niemand, nur die bunten Lämpchen an den Pulten blinkten. Es ist so still, dachte Jura. Niemand ist zu sehen und zu hören. Er bog in einen Quergang ab und vernahm Musik. Irgend jemand spielte irgendwo Gitarre, sicher und ohne Hast, eine traurige Melodie. Ob es etwa auf der Rhea auch so ist?, dachte Jura plötzlich. Er mochte es, wenn es ringsum lebhaft zuging, wenn alle zur Stelle waren, lachten, Witze machten, sangen. Ihm wurde trübselig zumute. Dann sagte er sich, jetzt seien gewiss alle an der Arbeit; dennoch wurde er das Gefühl nicht los, in runden leeren Korridoren könnten Menschen gar nicht anders als sich langweilen, hier genauso wie auf anderen fernen Planeten. Wahrscheinlich lag es an der Gitarre.
Plötzlich sagte jemand in unmittelbarer Nähe böse: »Das geht dich aber schon gar nichts an! Verstehst du? Gar nichts!«
Jura verharrte. Der Korridor war immer noch leer. Eine andere Stimme, weich und in entschuldigendem Tonfall, anwortete: »Ich habe es doch nicht schlecht gemeint, Vitali. Das nützt doch wirklich weder dir, noch ihr, noch Wladislaw Kimowitsch etwas. Niemandem nützt das. Ich wollte nur sagen ...«
Die böse Stimme unterbrach die andere: »Das hab ich schon gehört, und ich hab es satt! Und lasst mich in Frieden mit eurem Awerin, steckt die Nase nicht in meine Angelegenheiten! Ich bitte nur um eins: Lasst mich meine drei Jahre abarbeiten – und fahrt zur Hölle ...«
Links von Jura wurde eine Luke aufgerissen, und in den Korridor stürzte ein weißblonder Mann von vielleicht fünfundzwanzig Jahren. Sein helles Haar war wirr, das Gesicht gerötet und verzerrt. Genüsslich knallte er die Luke zu und blieb vor Jura stehen. Eine Minute lang sahen sie einander an.
»Was sind Sie denn für einer?«, fragte der Blonde.
»Ich ...«, sagte Jura, »ich bin von der Tachmasib‹.«
»Ah«, sagte der Blonde angewidert. »Noch so ein Liebling!«
Er ging an Jura vorbei und schritt ungestüm den Korridor entlang, dabei flog er immer wieder zur Decke und murmelte: »Fahrt doch alle zur Hölle! Fahrt doch alle ...« Jura fragte ihm kalt hinterher: »Was ist, haben Sie sich den Finger geklemmt, junger Mann?« Der Blonde wandte sich nicht um.
So, so, dachte Jura. Hier ist es gar nicht so langweilig.
Er wandte sich der Luke zu und bemerkte, dass ein zweiter Mann vor ihm stand, anscheinend der mit der entschuldigenden Stimme. Er war untersetzt, breitschultrig und nicht ohne Eleganz gekleidet. Er hatte eine schöne Frisur und ein rosiges trauriges
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