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Kapitaen Bykow

Kapitaen Bykow

Titel: Kapitaen Bykow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki
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antun.
    »Nein, weshalb denn?«, fragte der Arzt verwundert, und Shilin fügte hinzu: »Die vom Ring 2 haben sich schon nach dir erkundigt, sie wollen dich besuchen.«
    »Ist mir recht«, sagte Jura.
    Der Arzt wies Shilin an, dafür zu sorgen, dass der Kranke alle drei Stunden seine Medizin nahm, sagte, dass er übermorgen wiederkäme, und verschwand. Shilin brachte ihn hinaus, nicht ohne Jura versprochen zu haben, gleich wiederzukommen. Der Praktikant schloss erneut die Augen. Sie sind also tot, dachte er. Niemals mehr wird mich jemand Kadett nennen und bitten, »ein bisschen mit einem alten Mann zu plaudern«. Niemals wird jemand mit gütiger Stimme verschämt aus seinen Memoiren vorlesen, in denen von grundanständigen Menschen die Rede ist. Niemals mehr. Und dieses Niemals war das Furchtbarste an allem. Selbst wenn er sich den Kopf an der Wand einstieße, sein Hemd in Stücke risse – er würde Wladimir Sergejewitsch nicht wiedersehen, seine Gestalt morgens vor dem Duschraum, in den eleganten Hausrock gehüllt, ein riesiges Handtuch über der Schulter. Und auch Michail Antonowitsch nicht, wie er fürsorglich lächelnd Haferbrei in die Teller füllte, der einem schon zum Hals raushing. Niemals mehr, nie ... Aber wie war das möglich? So etwas konnte es doch nicht geben! Irgendein blöder Stein im blöden Ring dieses blöden Saturn ... Und die Menschen, die leben mussten, einfach verpflichtet dazu waren, weil die Welt ohne sie etwas verlor – jene Menschen waren nicht mehr und würden nie wieder sein ...
    Jura entsann sich dunkel, dass sie dort etwas entdeckt hatten, was freilich nicht so wichtig war, keineswegs die Hauptsache, auch wenn sie es geglaubt hatten. Obwohl alle, die sie nicht persönlich gekannt hatten, natürlich gleichfalls der Meinung sein würden, es sei das Wichtigste ... Das war immer so. Wenn man denjenigen nicht kannte, der die große Tat vollbracht hatte, zählte immer nur die Tat selbst. Kannte man ihn jedoch – was bedeutete dann noch die Tat? Zum Teufel damit, der Verstorbene sollte wieder am Leben sein! Eine Heldentat ist großartig, der Mensch aber muss leben ...
    Jura dachte an die Freunde, die er in wenigen Tagen wiedersehen würde. Sie würden sich natürlich sofort erkundigen, wie das gewesen war. Sie würden weder nach Jurkowski fragen noch nach Krutikow – nur für eins würden sie sich interessieren: für die Entdeckung. Sie würden vor Neugier fast platzen und vor allem wissen wollen, was Jurkowski und Krutikow von ihrer Entdeckung noch hätten übermitteln können. Sie würden Lobeshymnen auf sie singen, auf ihren Mut, ihre Selbstlosigkeit, und in ehrfurchtsvollem Neid ausrufen: »Das waren Männer!« Am meisten aber würden sie von der Tatsache fasziniert sein, dass die beiden auf Kampfposten gefallen waren. Jura wurde es beinahe übel vor Kränkung und Zorn. Doch er wusste schon, was er zu antworten hätte. Um sie nicht anzuschreien: »Ihr elenden Dummköpfe!«, um nicht loszuheulen oder eine Schlägerei anzufangen, würde er ihnen sagen: »Wartet. Es gibt da so eine Geschichte ...«, und er würde so beginnen: »Auf der Insel Honshu, in einer Schlucht bei dem Berg Chichigatake, hat man in einem unwegsamen Wald eine Höhle entdeckt ...«
    Shilin trat ein, setzte sich zu ihm ans Bettende und tätschelte ihm unbeholfen das Knie. Er trug ein kariertes Hemd, hatte die Ärmel aufgekrempelt. Sein Gesicht wirkte abgemagert und erschöpft. Er war unrasiert. Was ist eigentlich mit Alexej Petrowitsch?, ging es Jura plötzlich durch den Kopf.
    »Wanja«, fragte er, »was ist eigentlich mit Alexej Petrowitsch?«
    Shilin gab keine Antwort.

Epilog
    Der Autobus rollte lautlos an die niedrige weiße Barriere heran und hielt vor der großen bunten Schar derer, die sich zur Begrüßung eingefunden hatten. Shilin saß am Fenster und betrachtete die fröhlichen, vom Frost geröteten Gesichter, die unter der Sonne funkelnden Schneewehen vor dem Flughafengebäude und die raureifbedeckten Bäume. Die Türen öffneten sich, Frostluft strömte in den Bus. Die Passagiere drängten zum Ausgang, hatten zum Abschied ein paar scherzhafte Worte für die Stewardess bereit. Die Menge der Wartenden war freudig erregt – an den Türen umarmte man sich, wurden Hände geschüttelt, Küsse getauscht. Shilin hielt nach bekannten Gesichtern Ausschau, konnte keine entdecken und seufzte erleichtert. Er sah zu Bykow hinüber. Bykow saß reglos da, das Gesicht in den Pelzkragen seiner Grönlandjacke vergraben.
    Die

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