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Kapitaen Bykow

Kapitaen Bykow

Titel: Kapitaen Bykow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki
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fahlen Dunst geisterten gespenstische Schatten, und Dauge behauptete steif und fest, dies seien kompakte Schatten, aber Jurkowski erklärte das für Hirngespinste. Sie hörten Heulen, Fiepen und Gepolter und eigenartige Laute, die an Stimmen erinnerten. Dauge schlug vor, diese Laute mit dem Diktaphon aufzuzeichnen, da merkte er, dass Jurkowski auf dem Bauch lag und schlief. Dauge drehte ihn auf den Rücken und ging wieder an sein Periskop.
    Durch die offen stehende Tür kroch, blau gesprenkelt, Waretschka ins Observatorium; ihr Bauch schleifte auf der Erde. Sie kroch zu Jurkowski und legte sich auf seine Beine. Dauge wollte sie verjagen, aber er hatte keine Kraft mehr und konnte nicht einmal den Kopf heben. Waretschka blinzelte träge. Die Borsten an ihrem Maul waren gesträubt. Krampfhaft zuckte der schon halb tote Schwanz im Takt ihres pfeifenden Atems.

3. Es muss Abschied genommen werden, aber der Funkoptiker weiß nicht, wie
    Es war schwer, unvorstellbar schwer, unter derartigen Bedingungen zu arbeiten. Shilin verlor mehrmals das Bewusstsein. Das Herz setzte aus, und vor seinen Augen flimmerte es rot. Im Mund hatte er die ganze Zeit den süßlichen Beigeschmack von Blut. Er empfand es als sehr beschämend, dass Bykow unverdrossen präzise wie ein Uhrwerk weiterarbeitete. Der Kommandant war völlig durchgeschwitzt, auch ihm fiel das Arbeiten unvorstellbar schwer, aber er vermochte sich anscheinend kraft seiner Energie trotz allem bei Bewusstsein zu halten. Nach zwei Stunden war Shilin schon völlig entfallen, welchem Zweck seine Arbeit eigentlich dienen sollte. Er besaß keine Hoffnung und keinen Lebenswillen mehr. Doch jedes Mal, wenn er wieder zu sich kam, setzte er die unterbrochene Arbeit fort, weil Bykow in der Nähe war. Als er schließlich zum soundsovielten Male aus der Ohnmacht erwachte und Bykow nirgends entdecken konnte, fing er an zu weinen. Aber Bykow kehrte wenig später zurück, stellte eine Kasserolle mit Suppe neben ihn und sagte: »Iss!« Shilin aß und nahm seine Arbeit wieder auf. Bykow war aschfahl im Gesicht und sein seltsam erschlaffter Hals dunkelrot. Er atmete schwer und hastig, aber er sagte keinen Mucks. Shilin dachte: Wenn wir hier herauskommen, beteilige ich mich an keiner interstellaren Expedition, auch nicht an der Pluto-Expedition; ich gehe nirgendwohin, bevor ich nicht so wie Bykow werde. Ebenso beherrscht und – unter normalen Bedingungen – sogar langweilig. Ebenso finster und sogar ein wenig komisch. Ein Mensch, dem man die Legende von der Golkonda, von der Kallisto und all die anderen Legenden beinahe nicht zutraut, wenn man ihn sieht. Shilin erinnerte sich, dass sich junge Interplanetarier manchmal heimlich über den »rothaarigen Einsiedler« lustig machten. (Wie er wohl zu diesem sonderbaren Spitznamen gekommen war?) Aber er hatte nie erlebt, dass sich auch nur ein einziger Pilot oder ein Wissenschaftler älteren Jahrgangs verächtlich über Bykow geäußert hätte ... Wenn ich hier herauskomme, muss ich so wie Bykow werden! Wenn ich nicht herauskomme, muss ich wie Bykow sterben. Shilin verlor abermals das Bewusstsein, da führte Bykow an seiner statt die Arbeit wortlos zu Ende. Als Shilin wieder zu sich kam, kehrte der Kommandant ebenso schweigend an seinen Platz zurück.
    Nach einer Weile sagte Bykow: »Komm!« Sie verließen die Kammer des Magnetsystems. Shilin verschwamm alles vor den Augen. Am liebsten hätte er sich irgendwo hingelegt, das Gesicht in etwas Weichem vergraben und wäre liegen geblieben, bis man ihn aufstöberte. Er schleppte sich als zweiter aus der Kammer, blieb irgendwo hängen und fiel vornüber auf den Fußboden, aber er kam rasch wieder zu sich und erblickte dicht neben seinem Gesicht einen Schuh Bykows. Der Kommandant wippte ungeduldig mit der Schuhspitze. Shilin raffte sich auf, zwängte sich durch die Luke und kauerte sich hin, um das Schott sorgfältig zu schließen. Das Schloss wollte nicht einrasten, Shilin rüttelte daran mit seinen zerschundenen Händen. Wie ein Antennenmast stand der Kommandant daneben und beobachtete ihn, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Gleich!«, sagte Shilin hastig. »Sofort!«
    Endlich rastete das Schloss ein.
    »Fertig.« Shilin richtete sich auf, ihm zitterten die Knie.
    »Gehen wir«, sagte Bykow.
    Sie kehrten zur Steuerzentrale zurück. Vorm Rechner saß Michail Antonowitsch in seinem Sessel und schlief laut schnarchend. Der Rechner war eingeschaltet. Bykow ergriff das Mikrofon der Sprechanlage und sagte:

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