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Kapitaen Bykow

Kapitaen Bykow

Titel: Kapitaen Bykow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki
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haben, möglicherweise gar mehrmals. Auf dem Tisch standen eine dunkle längliche Flasche und ein Glas.
    »Was wünschen Sie?«, fragte Bykow dumpf.
    »Ist das hier Nummer 306?«, erkundigte sich Jura unsicher.
    »So ist es«, erwiderte samtig-tönend der Mann mit dem rassigen Gesicht. »Zu wem möchten Sie denn, junger Mann?«
    Aber das ist doch Jurkowski, schoss es Jura durch den Kopf. Der Planetologe von der Venus. Über ihn gibt’s einen Film ...
    »Ich ... ich weiß nicht ...«, murmelte er. »Es ist nur so, dass ich unbedingt auf die Rhea muss. Ich traf heute einen Mann ...«
    »Name?«, fragte Bykow.
    »Wessen Name?« Jura begriff nicht.
    »Na Ihrer doch!«
    »Borodin ... Juri Michajlowitsch Borodin.«
    »Beruf?«
    »Vakuumschweißer.«
    »Ihre Papiere.«
    Zum zweiten Mal innerhalb der letzten zwei Stunden (und überhaupt in seinem Leben) holte Jura seine Papiere hervor. Bykow sah ihn abwartend an. Jurkowski langte träge nach der Flasche, schenkte sich Wein nach.
    »Hier, bitte.« Jura legte das Empfehlungsschreiben auf den Tisch und trat wieder ein paar Schritte zurück.
    Bykow holte eine gewaltige, altmodische Brille aus der Brusttasche, führte sie an die Augen und las das Schreiben sehr aufmerksam durch, zweimal sogar, wie es Jura schien, bevor er es an Jurkowski weiterreichte.
    »Wieso haben Sie Ihre Gruppe verloren?«, fragte er barsch.
    »Ich ... Wissen Sie, es waren familiäre Umstände ...«
    »Ein bisschen genauer, junger Mann«, dröhnte Jurkowski. Er las die Empfehlung, indem er sie mit ausgestrecktem Arm von sich hielt und dabei einen Schluck aus seinem Glas nahm.
    »Nun ja, meine Mutter ist plötzlich erkrankt«, sagte Jura. »Eine Blinddarmentzündung. Da konnte ich nicht abreisen. Mein Bruder ist zurzeit auf Expedition ... mein Vater am Pol ... Es ging einfach nicht.«
    »Weiß Ihre Mutter, dass Sie sich als Freiwilliger in den Kosmos gemeldet haben?«, fragte Bykow.
    »Natürlich.«
    »Und sie war einverstanden?«
    »J-ja ...«
    »Haben Sie eine Braut?«
    Jura schüttelte den Kopf.
    »Sagen Sie, junger Mann« – Jurkowski faltete das Empfehlungsschreiben sorgfältig zusammen und legte es auf den Tischrand –, »wieso hat man Sie eigentlich nicht ... äh ... durch jemand anderen ersetzt?«
    Jura wurde rot. »Weil ich sehr darum gebeten hatte, es nicht zu tun«, antwortete er leise. »Und wir dachten, ich würde die Gruppe noch einholen. Ich hab sie auch nur um einen Tag verfehlt ...«
    Nun schwiegen alle, und vom »Prospekt der Freundschaft« drang das vielstimmige Gejohle der »noblen Gäste« zu ihnen herauf: sowohl derer, die ihren Kummer runtergespült, als auch jener, die ihre Freude begossen hatten. Möglicherweise beim alten Joyce.
    »Sie haben ... äh ... Bekannte in Mirsa-Tscharle?«, erkundigte sich Jurkowski vorsichtig.
    »Nein«, erwiderte Jura, »ich bin erst heute hier eingetroffen. In einem Café lernte ich einen Mann kennen. Er heißt Iwan und ...«
    »An wen haben Sie sich wegen des Fluges gewandt?«
    »An die Diensthabende für Passagiertransporte und an die Empfangsdame im Hotel.«
    Bykow und Jurkowski wechselten einen Blick, und Jura hatte den Eindruck, dass Jurkowski kaum merklich den Kopf schüttelte.
    »Nun ja«, murmelte Bykow, »das ist noch nicht weiter schlimm.«
    Jurkowski aber sagte unerwartet heftig: »Mir will absolut nicht in den Kopf, wozu wir noch einen Passagier brauchen.«
    Bykow überlegte.
    »Ich werde niemandem im Weg sein, Ehrenwort«, beteuerte Jura. »Und ich bin zu allem bereit.«
    »Bereit sogar, schön zu sterben, was?«, knurrte Bykow.
    Jura biss sich auf die Lippen. Es sieht schlecht aus, dachte er, verdammt schlecht.
    »Ich muss unbedingt auf die Rhea«, sagte er bittend.
    Ihm wurde plötzlich mit aller Deutlichkeit bewusst: Das hier war seine letzte Chance, ein Gespräch morgen mit dem Stellvertreter des Flugplatzleiters würde nicht das Geringste bringen.
    »Hmm?« Bykow blickte zu Jurkowski hinüber. Der zuckte die Achseln, hob sein Glas und schaute durch das Gefäß hindurch auf die Lampe. Da stand Bykow auf, kam hinter dem Tisch hervor – Jura wich ein Stück zurück, so groß und wuchtig wirkte der Kapitän – und ging, mit seinen Hausschuhen schlurfend, in eine Ecke des Zimmers, wo über einer Stuhllehne eine abgetragene Lederjacke hing. Er holte das flache, glänzende Kästchen eines Radiofons aus der Tasche. Jura starrte mit angehaltenem Atem auf seinen Rücken.
    »Charles?«, erkundigte sich Bykow gedämpft. Er presste die kleine

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