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Kapitaen Bykow

Kapitaen Bykow

Titel: Kapitaen Bykow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki
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Stadt?«
    »Geh bis zum Abzweig am Lager«, antwortete der Polizist. »Dort findest du bestimmt ein Auto, das dich mitnimmt.«
    Als Jura gegen halb zehn im Hotel ankam, machte er einen ziemlich zerzausten und mitgenommenen Eindruck. Das abendliche Mirsa-Tscharle war ganz und gar nicht mit dem Mirsa-Tscharle vom Tage zu vergleichen. Durch die Straßen, auf denen bizarre schwarze Schatten lagen, rollten unaufhörlich Autos dahin, die Leuchtreklamen tauchten die sich drängenden Menschen auf den Trottoirs in helles Licht. Die Türen sämtlicher Bars und Cafés standen sperrangelweit offen, drinnen heulte laute Musik, war es graublau von Tabakdunst. Betrunkene Ausländer, die sich zu dritt oder zu viert umschlungen hielten, torkelten auf den Bürgersteigen dahin und grölten Lieder, die keiner hier kannte. Im Abstand von jeweils zwanzig bis dreißig Schritt standen Polizisten mit steinernen Gesichtern unter tief in die Stirn gezogenen Helmen. Durch die wogenden Menschenmassen bewegten sich ruhig und gelassen Dreiertrupps aus kräftigen jungen Männern mit roten Armbinden. Das waren die Ordnungspatrouillen. Jura beobachtete, wie eine dieser Patrouillen eine Bar betrat, und dass dort daraufhin schlagartig Ruhe einkehrte; selbst die Musik verstummte. Die Patrouillengänger stellten gelangweilte, angewiderte Mienen zur Schau. Aus einer anderen Bar, schon ganz in der Nähe des Hotels, stießen zwei Kerle mit Oberlippenbärtchen irgendeinen Unglückswurm aufs Trottoir und begannen ihn mit Füßen zu traktieren. Der Ärmste schrie auf Französisch laut um Hilfe, und Jura, erbost die Zähne zusammenbeißend, ballte schon die Faust, um sie einem der Schläger ins Gesicht zu setzen, als er unsanft beiseitegestoßen wurde. Ein langer, sehniger Arm mit roter Armbinde packte einen der Bärtigen am Schlafittchen. Der zweite Bärtige duckte sich und tauchte wieder in die Bar ein. Die Patrouille übergab den Kerl nicht gerade freundlich den hinzueilenden Polizisten, diese drehten ihm die Arme auf den Rücken und schleppten ihn fast im Laufschritt in die nächstgelegene Nebenstraße. Jura konnte noch beobachten, dass einer der Polizisten nach einem verstohlenen Blick auf die Patrouille dem Bärtigen mit voller Wucht seinen Leuchtstab auf den Schädel hieb. Schade, dass ich den nicht mehr erwischt habe, dachte Jura, und für Augenblicke vergaß er sogar seinen Wunsch, zur Rhea zu fliegen. Er hatte das Bedürfnis, sich mit einer roten Binde am Arm diesen kräftigen, selbstbewussten Burschen anzuschließen.
    »Na, das sind vielleicht Sitten bei Ihnen!«, sagte Jura aufgebracht zur Dame am Empfang, kaum dass er das Hotel betreten hatte. »Hier ist ja das reinste Wanzennest!«
    »Wovon sprechen Sie?«, fragte die Frau erschrocken, und Jura besann sich.
    »Nein, nein, die Straßen meine ich. Der reinste Sumpf ist das!«
    »Wir sind eben ein internationaler Hafen«, erwiderte die Frau lächelnd, »damit müssen wir vorerst leben ... Und wie sieht’s nun bei Ihnen aus?«
    »Das weiß ich noch nicht«, antwortete Jura. »Doch jetzt erklären Sie mir bitte, wie ich das Zimmer 306 finde.«
    »Nehmen Sie am besten den Fahrstuhl, dritter Stock rechts.«
    »Danke«, sagte Jura und begab sich zum Lift.
    Er fuhr zum dritten Stock hinauf und fand die Tür mit der Nummer 306 ohne Schwierigkeiten. Vor der Tür blieb er stehen und überlegte sich erst einmal, was er wie und vor allem wem sagen wollte. Er erinnerte sich, dass Iwan von einem Mann mit grimmigem Aussehen gesprochen hatte. Jura strich sorgfältig sein Haar glatt und schaute an sich hinunter. Dann klopfte er.
    »Herein!«, rief eine tiefe, leicht heisere Stimme hinter der Tür, und Jura öffnete.
    Im Zimmer saßen an einem runden Tisch mit weißer Tischdecke zwei schon ältere Männer. Jura war baff: Er kannte sie beide, und das kam für ihn so unerwartet, dass er für Sekunden glaubte, sich in der Tür geirrt zu haben. Mit dem Gesicht zu ihm, die kleinen verkniffenen Augen auf ihn geheftet, saß der allseits bekannte Bykow, Kapitän der berühmten Tachmasib ; rothaarig und finster, genau wie auf dem Stereofoto, das Juras älterer Bruder über seinem Tisch hängen hatte. Das Gesicht des anderen Mannes, der lässig in einem leichten Korbsessel fläzte, war länglich, rassig, mit einem arroganten Zug um die vollen Lippen und ihm ebenfalls erstaunlich vertraut. Jura konnte sich beim besten Willen nicht an den Namen des Mannes erinnern, doch er war fest davon überzeugt, ihn schon einmal gesehen zu

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