Kapitaen Bykow
unterhalten. Denn schon in zehn Minuten wird man mir die nächsten Funksprüche bringen, und ich habe Trubel für den ganzen Tag.« Jura setzte sich, er war höchst beglückt. »Als ich vorhin vom Vorrang sprach, bin ich wohl ein bisschen hitzig geworden. Und in der Tat, was bedeutet schon ein einzelner Name im Ozean menschlicher Mühen, in den Stürmen menschlichen Denkens, im grandiosen Auf und Ab menschlichen Verstandes. Stellen Sie sich nur mal vor, Jura: Hunderte von Leuten in den verschiedensten Winkeln des Universums haben die notwendigen Informationen für uns zusammengetragen, der Diensthabende auf Sputnik fünf, erschöpft und mit vor Schlaflosigkeit geröteten Augen, nimmt sie entgegen und kodiert sie, Techniker programmieren die Funkapparaturen, dann drückt jemand die Einschalttaste, und gewaltige Reflektoren beginnen zu kreisen, spüren im All unser Schiff auf, und ein starkes Quant, angefüllt mit Informationen, löst sich von der Antennenspitze und eilt in die Leere hinaus, um uns einzuholen ...«
Jura hörte zu, hing geradezu an seinen Lippen. Und Jurkowski fuhr fort: »Kapitän Bykow hat zweifelsohne recht. Der eigene Name auf einer Karte sollte für den wahrhaftigen Menschen nicht allzu viel bedeuten. Über seine Erfolge sollte man sich in aller Bescheidenheit freuen, ganz für sich allein. Gut ist es dagegen, mit den Freunden die Freude des Suchens zu teilen, die Freuden des Erjagens und den tödlichen Kampf. Wissen Sie, Jura, wie viele Menschen es auf der Erde gibt? Vier Milliarden! Und jeder von ihnen arbeitet. Ist auf der Jagd oder der Suche nach irgendetwas. Oder kämpft bis auf den Tod. Mitunter versuche ich, mir all diese vier Milliarden gleichzeitig vorzustellen. Da ist zum Beispiel Kapitän Fred Doolittle. Er befehligt einen Passagierliner, doch hundert Megameter vor dem Ziel gerät sein Antriebsreaktor außer Kontrolle, und Doolittle bekommt innerhalb von fünf Minuten graue Haare. Doch er setzt eine große schwarze Baskenmütze auf, begibt sich in die Gemeinschaftskajüte und scherzt mit den Passagieren, denselben Passagieren, die von alledem nichts mitbekommen, vierundzwanzig Stunden später den Raumhafen verlassen und den Namen Fred Doolittle für immer vergessen. Professor Kanayama widmet sein ganzes Leben der Erzeugung von Stereosynthetika, und an einem schwülwarmen Morgen findet man ihn tot in seinem Sessel neben dem Labortisch. Doch wer von den Hunderten von Millionen, deren Kleidung eines Tages aus den farbenprächtigen und strapazierfähigen stereosynthetischen Stoffen Professor Kanayamas bestehen wird, erinnert sich dann noch seines Namens? Und Juri Borodin errichtet unter ungewöhnlich schwierigen Bedingungen Wohnkuppeln auf der kleinen, steinigen Rhea, dennoch ist es hundertprozentig sicher, dass nicht einer der künftigen Mieter dieser Wohnkuppeln den Namen Juri Borodin jemals zu hören bekommt. Und das, Jura, ist sogar gerecht. Denn auch Fred Doolittle hat die Namen seiner Passagiere sehr schnell vergessen, ungeachtet der Tatsache, dass sie unterwegs waren, um unter tödlichen Gefahren einen fremden Planeten zu erobern. Und ebenso bekam Professor Kanayama nie jene Leute zu Gesicht, die Kleider aus seinen Stoffen trugen, dabei waren es Leute, die wiederum ihn ernährten und kleideten, solange er arbeitete. Und auch du, Jura, wirst wahrscheinlich nie etwas vom Heldentum jener Wissenschaftler erfahren, die einst in den von dir errichteten Häusern wohnen. So ist halt die Welt, in der wir leben. Eine sehr gute Welt.«
Jurkowski hatte seine Rede beendet und bedachte Jura mit einem Blick, als erwartete er, dass der Praktikant auf der Stelle zum Guten bekehrt würde. Jura schwieg. Das Ganze aber nannte sich »ein bisschen mit dem alten Mann reden«, und beide mochten solche Gespräche. Denn wenn diese Unterhaltungen für Jura auch nichts sonderlich Neues brachten, so blieb doch immer ein Eindruck von etwas Gewaltigem, Glänzendem. Wahrscheinlich hing das mit der äußeren Erscheinung des berühmten Planetologen zusammen – er schien an sich schon ganz und gar aus Rot und Gold zu bestehen.
Shilin kam in die Messe, legte die Spulen mit den Funksprüchen vor Jurkowski hin. »Die Morgenpost«, sagte er.
»Danke, Wanja«, erwiderte Jurkowski mit gelöster Stimme. Er nahm aufs Geratewohl eine der Spulen, spannte sie in die Maschine und schaltete den Dechiffrierer ein. Die kleine Maschine begann wild zu tuckern.
»Da haben wir’s«, sagte Jurkowski mit der gleichen gelösten
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