Kapitän Singleton
das Schiff fast trocken auf einer harten Sandbank, auf der vermutlich noch nie zuvor ein Schiff gelegen hatte. Die Einwohner des Landes kamen in großer Anzahl herbei, um uns schweigend zu betrachten und zu bestaunen; sie begafften uns wie ein großes Schauspiel oder ein Wunder, das sie verblüffte und bei dem sie nicht wußten, wie sie sich verhalten sollten.
Ich habe Ursache anzunehmen, daß sie, sobald sie das Schiff erblickten, sogleich einen Bericht darüber absandten, daß es sich hier befand und in welchem Zustand es war, denn am nächsten Tag erschien ein hoher Herr. Ob es vielleicht ihr König war, konnte ich nicht sagen, aber er kam in Begleitung vieler Männer, und einige davon hatten lange Wurfspieße in der Hand, so lang wie Bratspieße. Sie kamen alle zum Ufer herunter und stellten sich uns genau gegenüber in ausgezeic hneter Ordnung auf. Sie standen beinahe eine Stunde lang da, ohne sich zu rühren, und dann kamen fast zwanzig von ihnen herbei, und ein Mann, der eine weiße Fahne trug, schritt vor ihnen her. Sie stiegen bis zum Gürtel ins Wasser; die Wellen gingen jetzt nicht mehr so hoch wie zuvor, denn der Wind war abgeflaut und wehte vom Land her.
Der Mann hielt uns eine lange Rede, wie wir aus seiner Mimik entnehmen konnten, und zuweilen hörten wir auch seine Stimme, verstanden jedoch nicht ein Wort von dem, was er sagte. William, der uns immer nützlich war, rettete uns allen, so glaube ich, hier wieder einmal das Leben. Das kam so: Als der Bursche, oder wie soll ich ihn nennen, seine Ansprache beendet hatte, gab er drei laute Schreie von sich (ich weiß nicht, wie ich sie anders bezeichnen könnte); dann senkte er dreimal seine weiße Fahne und winkte uns dreimal mit den Armen, zu ihm zu kommen.
Ich gestehe, daß ich dafür war, das Boot zu bemannen und zu ihnen zu fahren; William wollte das aber auf keinen Fall zulassen. Er erklärte mir, wir dürften niemandem trauen; wenn es Barbaren waren und sie einem Herrscher aus ihrem eigenen Volk unterstanden, dann könnten wir sicher sein, daß sie uns alle ermordeten; waren es dagegen Christen, werde es uns nicht viel besser ergehen, falls sie erfahren hätten, wer wir waren. Bei den Malabaren herrsche der Brauch, daß sie alle verrieten, deren sie habhaft werden konnten, und diese hier gehörten dem gleichen Volk an; und wenn wir nur im geringsten auf unsere Sicherheit bedacht seien, dürften wir uns um keinen Preis zu ihnen begeben. Ich widersprach ihm lange und sagte, meiner Ansicht nach habe er immer recht gehabt, hier aber dächte ich, dies sei nicht der Fall. Ich hätte ebensowenig wie er oder sonst jemand Lust, ein unnötiges Risiko auf mich zu nehmen, sei aber überzeugt, daß alle Völker der Welt, auch die wildesten, sich, wenn sie eine Parlamentärflagge zeigten, gewissenhaft an das Friedensangebot hielten, das sie mit diesem Zeichen machten. Ich nannte mehrere Beispiele aus der Geschichte meiner Reise durch Afrika, von denen ich hier zu Beginn meines Buchs berichtet habe, und sagte, ich könne mir nicht vorstellen, daß diese Leute hier schlimmer seien als manche der dortigen. Außerdem, so erklärte ich, befänden wir uns in einer derartigen Lage, daß wir notgedrungen irgend jemand in die Hände fallen mußten, und dann sei schon besser, wir fielen durch ein Freundschaftsabkommen in ihre Hände als durch eine erzwungene Unterwerfung, auch dann, wenn sie wirklich verräterische Absichten hatten; deshalb sei ich dafür, mit ihnen zu unterhandeln.
„Nun, Freund“, erwiderte William sehr ernst, „wenn du gehen willst, dann kann ich es nicht verhindern; ich möchte mich bei unserer Trennung nur für immer von dir verabschieden, denn verlaß dich darauf, du wirst uns nie wiedersehen. Ob wir auf dem Schiff zum Schluß besser davonkommen werden, kann ich dir nicht sagen, aber dafür kann ich geradestehen, daß wir unser Leben nicht nutzlos und kalten Bluts fortwerfen werden, wie du es tun willst; wir werden es wenigstens solange bewahren, wie wir nur können, und dann schließlich als Männer sterben und nicht als Narren, die sich durch die Tücke von ein paar Barbaren hinters Licht führen lassen.“
William sprach mit solchem Feuer und dabei mit soviel Gewißheit, was unser Schicksal betraf, daß ich ein wenig über das Risiko nachzudenken begann, das ich im Begriff war einzugehen. Ich war ebensowenig darauf erpicht, mich ermorden zu lassen, wie er. Darauf fragte ich ihn, ob er über den Ort irgend etwas wisse oder jemals dort
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