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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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kamen unsere Leute zu der Überzeugung, das Unternehmen sei nicht durchführbar, und ich war der Meinung (denn inzwischen war ich herbeigekommen, um ihnen zu helfen), daß es sinnlos wäre, die Leiter hinaufzusteigen, wenn es nicht so geschähe, daß ein Mann sozusagen bis zur Spitze hinaufrannte, etwas Feuerwerk in den Baum warf und dann wieder herunterkam, und dies taten wir zwei- oder dreimal, stellten jedoch keine Wirkung fest. Schließlich fertigte einer unserer Geschützmeister einen Stinktopf an, wie wir ihn nannten, in einer Zusam-menstellung, die nur Rauch, aber keine Flamme erzeugt und nicht verbrennt, deren Rauch aber so dicht ist und deren Geruch so unerträgliche Übelkeit erweckt, daß man ihn nicht aushalten kann. Den warf er selbst in den Stamm, und wir warteten auf die Wirkung, aber während der ganzen Nacht hörten und sahen wir nichts, und am nächsten Tag auch nicht; so schlossen wir, die Leute drinnen seien wohl alle erstickt – da hörten wir sie in der folgenden Nacht wieder oben auf dem Baum wie die Verrückten brüllen und schreien. Wir schlußfol-gerten daraus, wie es gewiß ein jeder getan hätte, daß dies dazu 267
    dienen sollte, Hilfe herbeizuholen, und wir beschlossen, unsere Belagerung fortzusetzen, denn wir waren alle erbost, uns von ein paar Wilden genasführt zu sehen, von denen wir glaubten, wir hätten sie fest in unseren Klauen, und tatsächlich hatte es auch in keinem Fall, der uns zuvor begegnet war, so viele miteinander verbundene Umstände gegeben, die zu einer Täuschung führten. Wir beschlossen jedoch, in der nächsten Nacht einen zweiten Stinktopf hineinzuwerfen, den unser Feuerwerker und Geschützmeister fertig hatte; da hörte ich den Feind oben auf dem Baum und auch innerhalb des Stamms und war deshalb nicht gewillt, den Geschützmeister die Leiter hinaufsteigen zu lassen, denn dann würden sie ihn mit Gewiß-
    heit ermorden, so sagte ich. Er dachte sich jedoch ein Mittel aus, um den Plan doch auszuführen, nämlich mit einer langen Stange in der Hand ein paar Stufen hinaufzusteigen und den Stinktopf von oben in den Stamm zu werfen. Während dieser ganzen Zeit hatte die Leiter am Baum gelehnt, als aber der Geschützmeister zusammen mit drei anderen Leuten, die ihm helfen sollten, und mit dem an einer Stange befestigten Topf zum Baum kam, siehe, da war die Leiter verschwunden.
    Dies brachte uns völlig durcheinander, und wir kamen zu dem Schluß, daß die Eingeborenen im Baum unsere Unacht-samkeit ausgenützt hatten, die Leiter hinabgestiegen und entkommen waren, wobei sie diese mit sich geschleppt hatten.
    Ich lachte meinen Freund William herzlich aus, der, wie ich sagte, den Oberbefehl über die Belage rung übernommen und für die Garnison, wie wir sie nannten, eine Leiter aufgestellt hatte, damit sie herunterkommen und davonlaufen konnten. Als aber das Tageslicht anbrach, wurden wir alle eines Besseren belehrt, denn dort stand unsere Leiter, auf den Baum gehievt, und steckte bis etwa zur Hälfte in dem hohlen Stamm, während die andere Hälfte in die Luft ragte. Jetzt machten wir uns über die Eingeborenen lustig und hielten sie für Narren, weil sie nicht den Weg über die Leiter genommen hatten, um zu 268
    entkommen, sondern sie unter Anspannung aller Kräfte auf den Baum hinaufgezogen hatten.
    Um die Sache ein für allemal zu beenden, entschlossen wir uns nun dazu, ein Feuer anzuzünden und den Baum mitsamt den Insassen abzubrennen. Also machten wir uns an die Arbeit, hackten Holz und hatten nach ein paar Stunden genügend beisammen, wie wir dachten. Nachdem wir es rings um den Baum aufgeschichtet hatten, zündeten wir es an und warteten in einiger Entfernung darauf, daß die Herrschaften, nachdem ihnen ihr Quartier zu he iß geworden war, oben herausflohen.
    Wir waren aber völlig verblüfft, als wir sahen, daß das Feuer plötzlich durch eine große Menge darauf geschütteten Wassers gelöscht wurde. Nun dachten wir, sie müssen mit dem Teufel im Bunde sein. William erklärte: „Das ist sicher das verschla-genste Stück Eingeborenentechnik, von dem man je gehört hat, und nun gibt es nur noch eine Erklärung, neben der, daß sie hexen könnten und sich mit dem Teufel eingelassen hätten, wovon ich kein Wort glaube“, sagte er, „nämlich daß dies hier ein künstlicher Baum ist oder ein natürlicher, den sie bis in die Erde hinunter, durch die Wurzeln hindurch künstlich ausgehöhlt haben, und daß diese Kerle eine künstliche Höhle darunter gebaut haben,

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